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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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sagt: „Komm endlich raus. Gisela würde es mir nie verzeihen, wenn ich Schuld an deiner Erkältung hätte.“
    Joe hüllt sich gerade in das Handtuch, als es zu tröpfeln beginnt. Der romantische Abend findet ein sehr abruptes Ende. Im strömenden Regen eilen die Vier hinauf ins Schloss.
    Die alte Haushälterin Kathi ist als Einzige noch auf. Sie rubbelt die beiden Mädchen mit Handtüchern ab und schickt sie gleich ins Bett. Für Albert und Heinz, die ebenfalls klitschnass sind, hat sie nicht einmal einen Blick übrig.

4. Kapitel
    Als die Linzer Kripo endlich das Schloss verließ, war es bereits sechzehn Uhr vorbei. Mario verabschiedete sich ebenfalls. Im Oktober sperrte er seine Bar erst um achtzehn Uhr auf.
    „Du kannst jetzt nicht einfach zum Alltag übergehen“, empörte sich Walpurga. „Ich finde das pietätlos. Heinz war ein Freund unserer Familie. Wenigstens heute könntest du die Bar geschlossen halten. Wie siehst du das, Joe?“, wandte sie sich an mich, als Mario wortlos zur Tür ging.
    „Die Arbeit lenkt ihn ab“, sagte ich diplomatisch.
    Da wir alle seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatten, schlug ich vor, das Abendessen vorzuverlegen. Walpurga wirkte erleichtert und machte sich gleich in der Küche zu schaffen.
    Ich blieb mit Albert im Salon zurück. Er starrte auf den Kamin, in dem kein Feuer brannte. Ich beobachtete ihn unauffällig, wie ich hoffte.
    Er war extrem dünn. Auch ältere Männer können an Magersucht leiden, dachte ich. Er sah richtiggehend krank aus. Sein Gesicht hatte eine ungesunde Blässe und seine Augen waren stark gerötet. Obwohl er einen warmen Rollkragenpullover trug, hatte er einen dicken Wollschal um den Hals geschlungen.
    Wir schwiegen beide beharrlich, bis Walpurga eine Schüssel mit aufgewärmten Krautrouladen auf den Tisch stellte.
    „Oh, phantastisch, eine meiner Lieblingsspeisen“, sagte ich enthusiastisch, obwohl ich keinen Appetit hatte.
    Ich kaute endlos lange an jedem Bissen. Albert rührte die Roulade auf seinem Teller erst gar nicht an, trank nur stark gesüßten Tee.
    Walpurga bemühte sich redlich, ein unverfängliches Gesprächsthema zu finden. Als sie mich fragte, was ich von Gustav halte, begab sich Albert in sein Zimmer.
    Nachdem er uns allein gelassen hatte, fragte sie mich: „Erinnerst du dich an den Heinzi?“
    „Er war ein zartes, schüchternes Bürschchen, das einem nie in die Augen schauen konnte“, sagte ich.
    „Ja, er war ein bisschen seltsam. Irgendwer hat einmal behauptet, Heinz würde aussehen wie ein typischer Kinderschänder.“
    „Kannst du mir verraten, wie ein Pädophiler auszusehen hat?“, warf ich gereizt ein. „Vielleicht war er nur ein alter Hippie? Zumindest hat er sein Haar schulterlang getragen. Ich erinnere mich, dass er genauso gern wie Albert Joints geraucht und LSD geschluckt hat“, sagte ich boshaft.
    Walpurga war bei meinen letzten Worten zusammengezuckt.
    „Albert und er haben sich gut verstanden, vor allem als Kinder. Er war sein einziger Freund“, sagte sie mit zittriger Stimme.
    „Franzi und ich haben den Heinzi einmal erwischt, wie er uns beim Nacktbaden beobachtet hat. Er hat sich hinter der alten Eiche versteckt und uns dabei zugesehen, wie wir uns ausgezogen haben und vom Steg aus ins Wasser gehüpft sind. Er war ein Heimlichtuer. Franzi hat ihn verachtet. Ich bin ihm lieber aus dem Weg gegangen. Meistens ist er, wenn keiner mit ihm rechnete, plötzlich hinter uns gestanden und hat uns erschreckt. Wir haben ihn Schmidtchen Schleicher genannt. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, er war ein armer Kerl, ein Komplexler mit voyeuristischen Neigungen.“
    „Auf jeden Fall war er kein so guter Fischer wie sein Vater. Der alte Fischer-Hans hat mir immer dicke Hechte, fette Aale und wunderbare Saiblinge gebracht. Der Heinzi hat nach dem Tod seines Vaters sofort die Preise erhöht. Der Kilopreis für grüne Forellen stieg von zwölf auf fünfzehn Euro, und für ein Kilo Saiblinge hat er gar achtzehn verlangt. Er war ein Faulpelz, hat meistens bis mittags geschlafen. Kein einziges Mal ist er früh morgens aufgestanden, um Aale zu fangen. Als gäbe es keine Aale mehr im See, seit der Alte gestorben ist. Die Leute haben sich gewundert, wie er von den paar Fischen, die er verkauft hat, überhaupt leben konnte. Sein Vater hat ihm außer dem Boot, dem uralten VW-Käfer und der feuchten Hütte unten an der Ager nichts hinterlassen. Seit der Roither-Bauer den Fischhandel im großen Stil aufgezogen hat, hat der

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