Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
Vom Netzwerk:
richtiger Name ist doch Bartenzsyi? Warum haben Sie Ihren guten alten ungarischen Namen gegen eine lächerliche italienische Getränkebezeichnung ausgetauscht? So eine Namensänderung ist eine komplizierte Angelegenheit. Schämen Sie sich etwa für Ihre ungarische Herkunft?“
    „Mit einem ungarischen Namen hätte ich am Burgtheater in Wien oder gar beim Film in den 60er Jahren kaum große Chancen gehabt. Die österreichischen Künstler und Intellektuellen sind eben italophil“, antwortete Victor ernsthaft.
    In solchen Augenblicken bewunderte ich meinen Vater. Diese Souveränität musste ein Dr. Braunsperger erst einmal an den Tag legen.
    Albert hatte sich entschuldigen lassen. „Der arme Junge leidet unter einem Migräneanfall“, hatte Walpurga uns erklärt. Er hatte Jan und Victor bei ihrer Ankunft kurz begrüßt und sich dann sofort in seine Räume zurückgezogen.
    Während des Essens flirtete Victor heftig mit Walpurga, machte ihr überschwängliche Komplimente wegen ihrer Kochkünste und schien auf dem besten Weg, sich erneut in die Baronin zu verlieben, was ich nicht zuletzt auf das gelungene Menü zurückführte. Sie hatte sich selbst übertroffen, hatte eine wunderbare Kürbiscremesuppe und danach kleine gebratene Saiblinge mit Kräuterbutter und Petersilienkartoffeln aufgetischt. Wo mochte sie die Saiblinge bloß aufgetrieben haben? Der Heinzi war doch tot.
    Nicht nur mein Vater und ich waren begeistert, auch Jan langte kräftig zu. Dr. Braunsperger lobte die köstliche Suppe und hielt uns dann, während seine Saiblinge kalt wurden, einen Vortrag darüber, wie gesund es vor allem für ältere Menschen sei, so früh zu Abend zu essen. Seine weitsichtigen Augen funkelten mordlustig, wann immer sein Blick auf Victor fiel.
    Mein Vater beteuerte, dass er häufig viel später essen würde und trotzdem kerngesund wäre. Er ließ den armen Doktor wie einen gebrechlichen, kranken Greis aussehen.
    Unter anderen Umständen hätte ich diese Eifersuchtsszene mit drei siebzigjährigen Hauptdarstellern amüsant gefunden. Nach allem, was ich bisher erlebt hatte, traute ich Dr. Braunsperger jedoch durchaus den Mord an Philip zu. Vielleicht hatte er seine geliebte Walpurga endlich von diesem Ekel befreien wollen? In seinem Alter hatte er nicht mehr viel zu verlieren. Ich hoffte nur, dass ich jetzt nicht um das Leben meines verliebten Vaters bangen musste.
    Obwohl keiner von uns besonders interessiert schien, redete Dr. Braunsperger weiter über gesunde Ernährung. Als er anfing, über Philips Gesundheitszustand zu sprechen, wurde ich plötzlich aufmerksam: „Philip war in letzter Zeit sehr abgemagert. Ein klassischer Alkoholiker eben. In den vergangenen Jahren war er allerdings bis auf drei kurze Episoden fast trocken. Ich hatte ihn mit Medikamenten versorgt, auf deren Einnahme hin ihm schlecht wurde, sobald er auch nur einen Tropfen Alkohol zu sich nahm. Daraufhin wurde er noch unerträglicher. Stimmt’s nicht, liebe Walpurga? Ich hatte ihm einen schweren Leberschaden diagnostiziert. Philip glaubte mir natürlich nicht und ging freiwillig ins Spital nach Vöcklabruck. Dort haben sie ihm die schlechten Leberwerte bestätigt. Anstatt seinen Lebenswandel zu ändern, begann er erst recht, Walpurga und den Rest der Familie zu schikanieren. Sie als Psychoanalytikerin würden sein Verhalten natürlich mit einer schweren Depression entschuldigen, nehme ich an, liebe Joe.“ Er sah mich herausfordernd an.
    Ich versuchte, diesen Seitenhieb eines Mediziners zu überhören, war ich doch als Analytikerin daran gewöhnt, von Ärzten nicht ganz für voll genommen zu werden. Ich stand auf und ging in die Küche.
    Walpurga folgte mir und flüsterte mir ins Ohr: „Er meint es nicht so. Du darfst ihm nicht böse sein. Heinrich ist total fertig – so wie wir alle.“
    Schweigend sah ich ihr dabei zu, wie sie die Palatschinken füllte. Nur weil ich Topfenpalatschinken nicht widerstehen konnte, kehrte ich wieder zu dieser illustren Abendgesellschaft zurück.
    Jan verweigerte die Nachspeise und ging auf die Terrasse. Ich nahm an, dass er eine rauchen wollte, und folgte ihm, sobald ich meine Palatschinken gegessen hatte.
    Er hatte sein Handy am Ohr und bedeutete mir zu verschwinden.
    Auf dem Weg in sein Hotel schlug er vor, auf einen Sprung bei Mario vorbeizuschauen. Er hatte gerade mit Gustav telefoniert und gab mir das Gespräch in Kurzfassung wieder.
    Kaum hatten wir die Bar betreten, machte Mario einen Tisch für uns frei und setzte

Weitere Kostenlose Bücher