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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Kofferraum gepackt und wieder rausgenommen zu werden? Zumal, wenn man ihn mit einem Fußtritt zusammenklappt wie Enrique? Er braucht das Ding nur anzufassen, und schon ist es kaputt. Wisst ihr, was in Manhattan wirklich fehlt? Ein günstiger Supermarkt. Die Pampers-Preise bei Gristede’s sind einfach, also, obszön. Und, Gott im Himmel, muss ich mich wirklich schon um einen Vorschulplatz bewerben, wenn Greggy noch nicht mal zwei ist?«
    Und diesen scharfen Gesellschaftsbetrachtungen folgten, nachdem Enrique einen zweiten Pappbecher Kaffee geholt hatte, ihre Tiraden über die Arbeit, insbesondere über ihre Bosse, die leitenden Redakteure von Newsweek – wo sie Associate Art Director war –, mit ihrer Sauferei und Grabscherei und ihrem grässlichen Krawattengeschmack und ihrer Inkompetenz bei der Fotoauswahl und ihren schrecklichen Farbschemata für Grafiken und ihrem ständigen unentschlossenen Hin und Her in Sachen Coverentwurf, weil sie am Freitag glaubten, erahnen zu müssen, welche Story am Montag, wenn das Heft herauskam, immer noch der große Knaller sein würde, wo doch nun wirklich offensichtlich war, dass der Versuch, aktuell zu sein, sinnlos war, angesichts der Rund-um-die-Uhr-Fernsehnachrichten und der Tageszeitungen, die sowieso das Neueste hätten. Nachrichtenmagazine konnten doch nur darauf setzen, ihren Lesern Hintergrundinformationen über das aktuelle Geschehender Woche zu bieten, aber nein, sie behaupteten, diese Titel würden sich nicht verkaufen. Die Wahrheit sei, verkündete sie zum zehntausendsten Mal, dass sich sowieso nur Filmstars auf dem Cover verkauften. Sie sollten es doch gleich bleiben lassen und nur noch Zeitschriften wie People herausgeben, deklamierte Margaret Wochenende für Wochenende, im Winter, im Frühling, im Sommer und im Herbst.
    Dass sie langweilig war, war ja schon schlimm genug, aber das könnte er noch aushalten, sagte er sich, wenn sie sich nur nicht, nach zehn Stunden physischer und psychischer Plackerei, weigern würde, mit ihm zu schlafen. Nicht mal das kurze Vergnügen eines Zehn-Minuten-Ficks. Keine Hoffnung auf ein Ende seines Eunuchenlebens. Keine Aussicht auf Belohnung. Außer einem widerwillig vollzogenen, klinischen Akt pro Monat im günstigsten Fall – und oft nur alle zwei Monate. Und diese seltenen Erfolge konnte er nur durch stundenlanges Schmeicheln und Betteln erzielen. Fast immer gingen sie, nach seinem ganzen braven Bemühen, mit ihr eine lebenssprühende junge Familie zu bilden, ins Bett wie ein asexuelles Greisenehepaar. Das war der stumme Horror, der ihn überkam, wenn sie sich in geschlechtsneutraler Schlafbekleidung am jeweiligen Rand ihres Ehebetts verkrochen: diese Dörrpflaume von Erotik, die sie ihm, der gerade mal achtundzwanzig war, als Kost bot, heute und in der Zukunft – das war es, was an seiner Seele fraß.
    Und seinen wachsenden Unmut umschloss, wie die dicke Schale einer tropischen Frucht, die Scham über sein Aufbegehren. Er witzelte mit anderen jungen Vätern über ihrer aller Frustration. Bei Essen mit anderen jungen Elternpaaren scherzte man zuweilen geschlechtsübergreifend über diese sexuelle Depravation. Schließlich waren sie eine befreite Generation, die sich dumm und dämlich gebumst hatte, und genau das war es, was an Enrique nagte: Er hatte es nicht getan. Er hatte sich nur erwachsen und solide gebumst, warsofort mittendrin gewesen im ernsten, arbeitsreichen Familienleben, nachdem ihm die psychedelischen Freuden des Studentenlebens gänzlich entgangen waren. Aber er empfand seinen Gram und Ärger über die mangelnde sexuelle Bereitschaft seiner Frau auch auf einer tieferen Ebene als moralisches Versagen: Er verriet die politischen Imperative seiner feministischen Mutter und der feministischen Umwelt, in der er lebte. Margaret war ein Musterexemplar der neuen Mütter der Achtzigerjahre, die alles wollten und alles schafften: Sie arbeitete in einem stressigen Job, verdiente fast so viel wie Enrique in seiner neuen Funktion als überbezahlter, unproduzierter Drehbuchautor, und sie war, verglichen mit ihren Freundinnen, überaus erfolgreich darin, ihren Mann an der Hausarbeit zu beteiligen. Enrique kochte zwar nie, aber er putzte nicht nur hinter sich und dem Baby, sondern auch hinter seiner Frau her, und er hatte Gregory mittwoch-, donnerstag- und freitagabends sowie den ganzen Samstag, damit Margaret sich von ihrem langen Arbeitsfreitag, meist bis zwei Uhr morgens und manchmal bis zum Morgengrauen, erholen konnte. Als

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