Glückliche Ehe
Antwort hervor wie ein dankbares Kind. »Und du bist meins. Du bist meins. Du bist meins.« Sie konnte nichts mehr sagen, und Enrique – beschämt, im Kopf pochten die Tränen, die irgendwo festsaßen – zog sich in den fensterlosen Schreibtischbereich zurück. Im Halbdunkel stehend, dachte er an die emotional so zurückhaltende Frau, auf die er oft wütend gewesen war, die scheltende Frau, die er manchmal so gern los gewesen wäre, und in seinem Inneren hallten die Worte wider, die auf seine Seele niedergingen, als ob sie von Gott selbst kämen: Sie ist so gut. Sie ist so gut und so sanft, und ich bin so gemein und so verbittert. Sie ist voller Liebe, und ich bin leer ohne sie .
15 LIEBE UND EHE
E nrique war verliebt. Er musste immerzu an sie denken. Wenn er an der Schreibmaschine saß, wenn er im Deli Kaffee bestellte, wenn er unter der Dusche stand, wenn er sich eine Zigarette anzündete, wenn er seinen fast zweijährigen Sohn im Buggy durch die Gegend schob, stellte er sich vor, sie zu schmecken, stellte sich vor, wie ihr geschmeidiger Körper sich in seinen begierigen Händen bog, als hätte die Wollust ihre Wirbelsäule geschmolzen, wie ihre straffe Haut sich seiner Zunge darbot, wie alles an ihr, die hellen und die dunklen Teile, so süß und aromatisch schmeckte, als wäre sie Mutter Erde selbst. Ihr warmer Duft war in seiner Nase, wo immer er hinging, ein Hauch von ewigem Frühling im Februar-Schneematsch Manhattans, und während er Windeln wechselte oder die Geschirrspülmaschine ausräumte, grinste er bei der Erinnerung an sie: wie ihre Hüften sich hoben, wie ihr Leib sich durchbog, wenn sie zum Höhepunkt kam. Er konnte es nicht erwarten, die amüsanten, wirren Geschichten ihrer Alltagsprobleme zu hören, so köstlich witzig und selbstironisch erzählt, und ihr offenes sexuelles Verlangen erregte und entzückte ihn. An ihrer Seite fühlte er sich ermutigt, weil sie sich gegenüber all den Leuten, die ihm ein Gefühl der Ohnmacht gaben, vehement auf seine Seite schlug: seinem nichtsnutzigen Partner von Halbbruder,seinem geschwätzigen, überflüssigen Agenten, seinem feigen, unentschlossenen Producer und seiner aufdringlichen, frustrierenden Ehefrau.
Enrique war verliebt in Sally Winthrop. Er lief schier über vor Liebe, einer tiefen, leidenschaftlichen, reifen Liebe, die zufällig auch noch verboten war. Das war nicht wie die Fata-Morgana-Liebe, die er für Margaret empfunden hatte und die nur zu bald keinen Platz mehr im bürgerlichen Ehetrott hatte, im Wirklichkeit gewordenen Traum eines humorlosen Schulmädchens, dieser brutalen Tretmühle: gnadenlos frühes Aufstehen, muffiger Babyfläschchengeruch, löffelweises Verfüttern von püriertem Gemüse und frühes Zubettgehen im Alkoholdunst von Babyreinigungstüchern, das Ganze nur durchbrochen von langen Telefonaten am Nachmittag mit seinem faulen, weitschweifigen Halbbruder, mit dem er an Storys arbeitete, die so bar jeden echten Gefühls, jeden interessanten Konflikts waren, dafür aber so voller Klischees und unglaubhafter Charaktere, dass er sich manchmal fragte, ob – wenn das Unmögliche geschah und eins dieser sieben Drehbücher, für die er zehnmal so viel bekam wie für seine drei mittlerweile verramschten Romane (und das war nur die Hälfte des Gesamthonorars, da er dieses ja anständigerweise mit seinem Halbbruder teilte) tatsächlich verfilmt wurde –, ob er das Zeug jemals auf einer Kinoleinwand sehen wollte, geschweige denn von Fremden erwarten könnte, dass es ihnen gefiel.
Und dann war da noch die peinliche, entwürdigende Routine des Soziallebens. Einmal die Woche Abendessen mit Margarets alter Sommercamp-Freundin Wendy und deren ultralinkem Mann, der einem subtil zu verstehen gab, dass sein Zwerg weiter war als Gregory, weil das kleine Genie schon in die Toilette machte, ein wahrer Einstein des Stuhlgangs. Da waren lange, strapaziöse Wochenenden, an denen er, Schulter an Schulter mit anderen Vätern, plieräugig aufSandkästen starrte, während Margaret mit den Müttern plauderte. Er hörte Margaret mit der schrillen Stimme ihrer Mutter so ausführlich und detailliert über so langweilige Dinge reden, dass er sie manchmal im Verdacht hatte, eine neue Art Performancekunst zu entwickeln, die Vierundzwanzig-Stunden-Selbstsatire: »Glauben die bei Maclaren im Ernst, dass das windige Aluminiumgestänge ihres Faltbuggys dem Härtetest der New Yorker Straßen gewachsen ist? Oder auch nur diesem Ritual der Vorstädte, dauernd in den
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