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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Also beantwortete er stattdessen die eigentliche Frage. »Natürlich bleiben wir in Verbindung. Wir kommen weiter zu Passah und Thanksgiving, die Jungen und ich. Wir werden uns bei allen Familientreffen sehen.«
    Jetzt sah Rob ihn verwirrt an. Er runzelte die Stirn und legte den Kopf schief, als versuchte er zu verstehen, was Enrique da eben gesagt hatte. »Klar, aber ich meine, wenn ich mit irgendwas helfen kann. Margaret will sicher sein können, dass du dich an uns wendest. Falls ihr irgendwas braucht.«
    Erst jetzt wurde dem ichbezogenen Enrique klar, was dort oben abgelaufen sein musste. Margaret hatte sich fürEnrique und ihre Söhne eingesetzt, um sicherzustellen, dass das, was sie nicht mehr selbst für sie tun konnte, ihre nächsten Angehörigen übernehmen würden. Sie verwandte ihre letzten Stunden mit ihrer Familie darauf, über ihn zu reden!
    Enrique versicherte Rob hastig, dass er sich natürlich an ihn wenden werde, falls er irgendetwas brauche, und machte sich dann auf der untersten Treppenstufe mit diversen Versicherungsunterlagen und Green-Wood-Papieren zu schaffen. Er wartete, bis alle Cohens außer Dorothy im Wohnzimmer versammelt waren. Dann ging er die Treppe hinauf, um sich als Nächster hinter ihrer Mutter »anzustellen«, indem er sich in sein Arbeitszimmer direkt vor dem Schlafzimmer setzte. Als er sich dem oberen Treppenende näherte, hörte er sie reden. Er trat leiser auf, in der Hoffnung, etwas von dem postumen Supervisionsarrangement mitzubekommen, an dem seine Frau arbeitete. Was trug Margaret ihrer Familie auf? Dafür zu sorgen, dass er wieder eine glückliche Ehe einging? Ein Auge darauf zu haben, wie er sich um seine Söhne kümmerte? Was traute sie ihm allein nicht zu?
    Die Schiebetür zwischen seinem kleinen Arbeitszimmer und dem Schlafzimmer war ganz offen, aber das Ehebett stand so, dass sie ihn nicht sehen konnten. Als er sich der Tür näherte, fragte er sich, ob er hineingehen und das Gespräch unterbrechen sollte, falls Dorothy Margaret irgendwie auf die Nerven fiel. Sie zu belauschen erwies sich als Kinderspiel. Sie hatten seine Schritte nicht gehört, wohl deshalb, weil ihr Dialog nicht nur laut, sondern regelrecht ekstatisch war. Dorothys Stimme klang warmherzig und nicht wie sonst spröde, und er hörte sie fast schon verzückt eine Lobeshymne singen: »Ich sage allen meinen Freundinnen immer, was für eine tolle Mutter du bist, so viel besser, als ich war. Max und Gregory sind ja so wunderbare junge Männer, so liebevoll und intelligent und selbstbewusst, und das kommt daher, dass du ihnen eine gute Freundin bist, soeine gute Mutter. Sie vertrauen dir und lieben dich und sind so ernsthafte, anständige Burschen, sie werden ihre Sache in der Welt gut machen. Ich bin so stolz auf dich, Margs, so stolz –«
    Und dann hörte er Margarets Stimme, weich und liebevoll, nicht um Dorothy das Wort abzuschneiden, sondern wie um in ihren Gesang einzustimmen. »Das liegt nur an dir, Ma. Das Muttersein habe ich von dir gelernt –«
    »Nein, nein«, sagte Dorothy. »Du hast sie auf deine Art erzogen. Ich fand es ja zuerst verrückt von dir, in Manhattan zu bleiben und sie auf diese Schule zu schicken, diese seltsame christliche Schule war mir gar nicht geheuer, aber du hattest –«
    »Ma, Ma, Ma«, rief Margaret aus, als ob Dorothy ihr den Rücken zugekehrt hätte und sie ihre Aufmerksamkeit wiedererlangen wollte. »Ma, bitte, hör zu. Hör mir zu.«
    »Was denn, Schätzchen?« Dorothys Stimme schien jetzt noch sanfter, der ängstliche, schrille Ton war völlig verschwunden. »Ich höre dir zu«, sagte sie, nicht defensiv, sondern als Versprechen.
    Schweigen. Er hörte Bettzeug rascheln und konnte es sich nicht verkneifen, sich vorzubeugen und um den Türrahmen zu linsen. Er sah jetzt Mutter und Tochter, deren Bild sich im Glas eines gerahmten Fotos von Max und Greg im Kleinkindalter spiegelte, das an der Wand gegenüber dem Bett hing. Margaret hatte sich aufgesetzt und umarmte ihre Mutter – keine ihrer üblichen steifen, sachlichen Umarmungen, nein, sie hielt sie fest, barg sie an ihrer Brust, als wäre Dorothy ihr Kind. Über der steifen Kuppel der festgesprayten Frisur flüsterte sie in ein Ohr, das so klein und perfekt geformt war wie ihr eigenes: »Ich hab es von dir gelernt. Alles, was ich über das Muttersein weiß, hab ich von dir gelernt. Du warst mein Vorbild, Ma. Du warst immer mein Vorbild.«
    Dorothy, den Kopf an die Brust ihrer Tochter gelegt, schluchzte ihre

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