Glückliche Ehe
– geradezu die Aufforderung, es noch schlimmer zu treiben –, dass er in jener Nacht beim Sex mit seiner Frau entspannt, ja fast schon gelangweilt war, was sicher daran lag, dass er nicht zwei Monate auf diese Gelegenheit hatte warten müssen und es ihn nichtkümmerte, ob es, wenn Margaret ihre ehelichen Pflichten erfüllt hätte, wieder zwei Monate dauern würde, bis sie ihm das nächste Mal dieses Gefühl von Geborgenheit zuteilwerden ließ, das nur eine sich öffnende Frau zu geben vermochte. Der groteske Verrat jener Nacht fühlte sich überhaupt nicht grotesk an: Sie waren ein Paar, das Sex hatte, nicht Geschäftspartner, die ihre Bücher ins Reine brachten. Und offenbar gefiel es auch Margaret besser, wenn seine Erregung weniger verkrampft, weniger verzweifelt war. Vielleicht, weil er nicht unter Überdruck stand und sich gleichzeitig zurückhielt, weil er nicht ängstlich darauf bedacht war, das Vergnügen in die Länge zu ziehen, ließ sich Margaret auf die Lust ein – eine Seltenheit seit dem ersten Jahr ihrer Beziehung. Sie schmolz dahin und stöhnte wie damals, als sie ihn geliebt hatte, als sie ihn gewollt hatte – nicht als dienstbaren Daddy ihres Sohns, nicht als Trophäengatten, der vor dem Haus ihrer Eltern in Great Neck den Kinderwagen auslud, nicht als passendes Accessoire ihres progressiven Lebens, sondern als Mann.
Und deshalb, Gott sei Dank, halleluja, war sein Selbsthass nicht so groß gewesen, dass er diesen Verrat, diesen zweifachen Verrat, verweigert hätte, denn erstmals in den endlosen achtundzwanzig Jahren seines frustrierenden, nichtsnutzigen Lebens war er ein richtiger Mann mit einem richtigen Schwanz, der an ein und demselben glorreichen Tag den Weg in zwei schöne Frauen gefunden hatte. Er war als Romancier gescheitert, hatte seinen Traum, ein zweiter Balzac zu werden, aufgegeben, als sein viertes Buch keinen Verleger gefunden hatte, der mehr als lumpige fünftausend Dollar zahlen wollte und auch die nur, wenn er den Schluss zum Happy End umschrieb. Waren fünftausend Dollar vielleicht ein Happy End für zwei Jahre Arbeit? »Wenn sie wollen, dass ich Lohnschreiber werde«, hatte er verbittert erklärt, »sollen sie mich wenigstens anständig bezahlen.« Diesen Deal hatte er dann in Hollywood abgeschlossen.
Und auch etwas noch viel Wichtigeres hatte er dort gefunden: ein Gefühl von Freiheit, das ihm Sally bot, sexuell wie emotional. Sie nahm seine Klagen über die Drehbuchschreiberei mit viel mehr Humor als Margaret, wurde aber nie sarkastisch wegen seiner Hollywood-Jobs, mokierte sich nie über die anbiedernden Story-Ideen, zog nie über die Idioten her, mit denen er es zu tun hatte, bedachte ihn nie mit weltmüden, skeptischen Blicken, wenn er sagte, dass er ja vielleicht Produzent oder Regisseur werden könnte, und erhob natürlich keinerlei Einwände, wenn er laut darüber nachdachte, ob er vielleicht, um im Filmbusiness weiterzukommen, in LA leben müsste. Margaret schien mit dem auslaugenden Familienleben durchaus zufrieden, während Enrique sich wie im Gefängnis fühlte, das ihm nur ab und an mal Freigang gewährte – wenn er bei Sally sein durfte.
Nicht Enrique, sondern Sally kam auf das Thema Ausbruch zu sprechen. Als ihre Affäre fast ein Jahr gedauert hatte, ließ sie sich endgültig in LA nieder, weil sie dort einen Job bei einer Fernsehserie bekommen hatte und man ihr zugesichert hatte, dass sie eine Folge schreiben und bei Erfolg zur festen Teamautorin aufsteigen könne. Sie erklärte Enrique, jemand mit seinen Fähigkeiten könne beim Fernsehen jede Menge Jobs haben und sogar gleich ziemlich weit oben einsteigen, vielleicht nicht als Produzent und Autor, aber mit Sicherheit als Chefautor und zweiter Produzent, und mit seinen phantastischen Ideen würde er bald schon Millionen verdienen. Dasselbe hatten ihm auch schon Leute mit weniger Eigeninteresse und mehr Branchenkenntnis gesagt: sein Agent, Produzenten generell und sämtliche Autoren, denen er dort draußen begegnet war. In Hollywood war es ein gängiger Aphorismus, dass die Filmautoren den Glamour und den Kontakt mit den Filmstars hatten, die Fernsehautoren aber das Geld und die Macht. Sallys Plan sah vor, dass er sich von Margaret scheiden ließ, diefrustrierende Partnerschaft mit seinem Halbbruder aufgab, zu ihr nach LA zog und als Autor von Fernsehserien reich wurde. So schamlos, egoistisch und ruchlos dieser Plan für ihn auch klang, schien dieser Weg doch vielversprechend, um schnell reich, berühmt
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