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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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war, als er ihr zum ersten Mal gestand, dass ihm ihre Sommersprossen gefielen; ihrwaren sie immer peinlich gewesen. Sie war eitler als die meisten Frauen, die er kannte, Schauspielerinnen einmal ausgenommen. Oft kam sie nach einer längeren Aktion aus dem Bad und drohte an, sich um die Augen liften zu lassen, weil sie allmählich die Tränensäcke ihres Vaters bekomme. Sie schien es ernst zu meinen und machte Enrique Angst, dass sie sich irgendwann wirklich operieren lassen und in eine jener Frauen verwandeln würde, deren Gesichter starr und deren Körper so ausgemergelt waren, dass der Kopf breiter wirkte als die Schultern. Bisher machte sie fast jeden Tag Sport und hatte sich ihre Figur ohne Silikon oder Skalpell erhalten. Trotzdem war sie unglücklich über ihren Körper, das wusste er. Und dieser Körper war natürlich auch nicht mehr das, was er vor dreiundzwanzig Jahren gewesen war, als Enrique sie zum ersten Mal nackt gesehen hatte. Ihre Brüste, die ihre Söhne genährt hatten, waren jetzt kleiner und nicht mehr über die Schwerkraft erhaben, die Brustwarzen brauner, ihr Bauch war noch flach, aber doch breiter und weicher, und am Rand ihres immer noch schwarzen Schamhaars verlief eine dünne, weiße Kaiserschnittnarbe. Als er heute Nachmittag ihren Hintern umfasst hatte, um tiefer in sie einzudringen, hatten ihre Backen immer noch perfekt in seine Hände gepasst, aber es waren jetzt kleine Kissen, keine saftigen Früchte mehr. Enrique hätte es nie einem anderen Mann gestanden, aber Margarets reifer gewordener Körper erregte ihn gerade deshalb, weil es nicht das Fleisch war, das er als dummer junger Mann gewollt hatte. Er begehrte sie heute, weil ihr Körper jetzt von der Geschichte ihres gemeinsamen Lebens geformt war, und obwohl er es nicht wusste und auch, solange sie lebte, nicht wissen würde, begehrte er sie, weil er sich in ihren Armen sicher fühlte.
    »Schaust du mich an?«, fragte Margaret. Sie hielt das Gesicht abgewandt, blickte auf ein Fenster mit einem Vorhang aus rotem Samt.
    »Du bist schön«, sagte er.
    »Hör auf, mich anzuschauen«, antwortete sie.
    »Warum?«, fragte er, denn wenn sie gestand, dass sie sich ihres alternden Körpers schämte, konnte er ihr sagen, dass sie immer noch schön war.
    »Weil wir uns kaum kennen«, sagte sie.
    Margaret war nicht oft witzig. In der Tradition aschkenasischer Frauen, ob in Polen oder Queens, führte sie Gespräche sachlich und pragmatisch. Kaum je prahlte sie mit ihrer Intelligenz, die sie ihren Söhnen vererbt und bei ihnen gefördert hatte. Er verzog sich ins Bett. Zu wissen, dass sie ihren Hochzeitstagssex schon hinter sich hatten, war sehr entspannend. Bis dieses Fax gekommen war, war die Reise zauberhaft gewesen. Er war entschlossen, sich nicht wieder von seinem Beruf die Laune verderben zu lassen.
    Er hörte, wie sie aus der Wanne auf den Marmorboden stieg. Es stellte sich ihr nasses, schwarzes Geschlecht vor. Er fragte sich, warum ihm ihre witzige Antwort von eben immer noch durch den Kopf ging. Als sie in dem weißseidenen Morgenrock auftauchte, den sie sich extra für diesen Liebesurlaub gekauft hatte, fiel ihm der große Sommersprossenfleck über ihrem rechten Knie auf, den er, wenn sie in den Sommermonaten Shorts trug, so gern betrachtete, und plötzlich wusste er, was ihn an ihrer Bemerkung stutzig gemacht hatte: Sie kennt mich, das ist das Komische daran. Sie kennt mich durch und durch; ich bin derjenige, der sie nicht kennt.
    Sie küssten sich lang und innig, und er wurde wieder steif, doch als sie leicht widerstrebend fragte: »Willst du?«, log er und sagte: »Ich bin ganz zufrieden.« Sie gab ihm sichtlich dankbar einen Gutenachtkuss und war nach wenigen Sekunden eingeschlafen. Er lag auf der Seite, lauschte dem schwappenden Wasser draußen und dachte: Ich bin in Margaret verliebt . Über diese erstaunliche Tatsache freute er sich, under beschloss, morgen bei dem eleganten Lunch auf Torcello das Tabuthema anzusprechen.
    Natürlich hieß es, die romantische Stimmung aufs Spiel zu setzen, wenn er an ungute Erinnerungen rührte, doch an einem Ort mit einem so musikalischen Namen konnte wohl nicht viel passieren. Torcello. Torcello. Er wollte mehr über diese Kränkung erfahren, die Margaret mit sich herumtrug und über die sie nie sprach, und er wollte, wenn er konnte, ihr helfen, sie zu überwinden. Auf Torcello würde er es wagen.
    Er schlief traumlos und entspannt, die erste erholsame Nacht seit Monaten. Als er im ersten

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