Glückliche Ehe
nicht zu merken schien, dass es ihm zwar noch nicht gelungen war, den Grill richtig in Gang zu bringen, die Platte mit Hamburgern auf dem Tisch neben ihm aber irgendwie Feuer gefangen hatte und auch er bald in Flammen stehen würde. »Keine Bange, Schatz. In zehn Minuten ist die Glut so weit«, stand in der Sprechblase.
Enrique folgte Margarets Winken und betrat das Parkett des L-förmigen Studio-Apartments, während Margaret sich den aufmunternden Worten ihrer Freundin anschloss. »Stimmt. Du bist ein wohlerzogener Gast. Die andern sind alle blöd. Wo ist sie?«, fragte sie unvermittelt. Enrique stellte fest, dass Margarets wandschrankgroße Küche gleich links hinter der Wohnungstür lag, dass man mit zwei Schritten bereits mitten im Wohnzimmer war, dass ein langer Glastisch unter den Fenstern am anderen Ende der Schuhschachtel für erschreckend viele Leute gedeckt war und dass sich an der Längswand des Raums genau dasselbe Regalsystem befand, das er in seinem Teenagerzimmer zu Hause bei seinen Eltern gehabt hatte: Trägerarme, die man auf beliebiger Höhe in an der Wand verschraubte Metallstangen hakte. Sie trugen ungefähr anderthalb Meter lange Holzbretter, deren vertikale Abstände variierten, je nachdem, ob sich darauf großformatige Bildbände oder Taschenbücher aneinanderreihten. Auf einem der Bretter standen auch ein Plattenspieler samt Boxen und vielleicht zwei Dutzend LPs. Enrique entdeckte das Beatles-Album Revolver . Er war noch damit beschäftigt, ihre Frage, »Wo ist sie?«, zu verstehen, als ihm der rotbeschürzte Kobold eine für diesen Körper erstaunlich große Hand hinstreckte und sagte: »Ich bin Lil. Sorry. Hab nasse Hände.«
»Ich bin Enrique«, sagte er.
»Oh, das weiß ich«, sagte sie in einem Ton, als hätte er ihr unermessliche Dummheit unterstellt.
»Entschuldigt. Ich bin so unhöflich«, sagte Margaret. »Enrique Sabas, Lily Friedman. Wo ist die Kiste?«, fragte Margaret mit einem vielsagenden Gesichtsausdruck.
Enrique fühlte den Fußboden unter sich schwanken, als ihm aufging, was sie meinte. »Die Kiste Mateus.«
Lily lachte glucksend. »Wir hatten ja gehofft, du würdest eine andere Sorte bringen, aber –«
Margaret sprach an ihrer Stelle weiter. »Keine ganze Kiste, das wäre total übertrieben. Aber wir haben nicht genug Wein!« Sie zeigte auf den für zehn Personen gedeckten Tisch. »Es sind nur zwei Flaschen da. Wir brauchen mindestens noch zwei.«
»Nicht, dass wir saufen oder was«, sage Lily und schüttelte den Kopf, dass die braunen Locken flogen.
»Wiedersehen«, sagte Enrique und machte auf dem Absatz kehrt.
»Nein«, rief Margaret. »Sei nicht albern.«
»Wir kommen schon klar«, sagte Lily und wischte alle diesbezüglichen Bedenken mit einer Handbewegung weg. »Ich muss mir die Hände abtrocknen«, setzte sie hinzu und schlüpfte in die einen Schritt entfernte Küche, um sich ein Stück Küchenpapier zu schnappen.
»Rot oder weiß?«, fragte Enrique, die Hand an der Türklinke. Er hatte keine Ahnung, wieso er plötzlich so selbstsicher war, aber den General, der jetzt das Kommando hatte, schien es nicht zu interessieren, dass sein Fußsoldat Enrique ein Nervenbündel war und dazu neigte, sich zum Idioten zu machen.
Und der Oberbefehlshaber hatte richtig erraten, dass Margaret Enrique nicht einfach so davonkommen lassen würde. »Rot?«, sagte sie unsicher zu Lily, die sich jetzt die Hände abgetrocknet hatte.
»Stell dich nicht so an«, sagte Lily. »Jemand wird schon Wein mitbringen. Das ist immer so.«
»Wir haben Garnelen in der Pastasoße, aber es ist eine rote Soße, also ist Rotwein wohl richtig, oder?«, sagte Margaret und neigte den Kopf fragend zur Seite.
»Mary McCarthy hat meinem Vater erklärt«, flocht Enrique schamlos einen Namen ein, von dem er wusste, dass er bei jungen Frauen zog – wegen Die Clique , einem Buch, das er nie gelesen hatte und auch nie lesen würde –, »wenn der Wein richtig gut ist, dann passt er zu jedem Essen, ob rot, weiß oder rosé.«
»Das finde ich klasse«, sagte Lily und strahlte ihn an. Margarets große blaue Augen hingegen starrten durch ihn hindurch, als hätte er in einer Fremdsprache gesprochen. Vielleicht missfiel ihr ja dieses Name-Dropping.
»Meine Theorie ist«, sagte Enrique und wandte den Blick von diesen beunruhigenden Augen, um in Lilys warmbraune zu sehen, »dass Dad Mary McCarthy den falschen Wein mitgebracht hatte und sie nur höflich sein wollte.« Er öffnete die Wohnungstür. »Das mit
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