Glückliche Ehe
ganz schön hart gewesen sein.«
Bei diesem Themenfeld konnte es leicht passieren, dass man auf eine Konversationslandmine trat. Wie sollte er von seiner dreijährigen Beziehung mit Sylvie erzählen? In der Tiefe seines Herzens glaubte Enrique, dass sie letztlich seinetwegen gescheitert war. Er konnte sich zwar leicht als das alleinige Opfer darstellen, indem er verriet, dass Sylvie ihn betrogen hatte, aber das ließ ihn auch nicht gerade in gutem Licht dastehen. Außerdem wusste er, dass ihre Affäre nicht der wahre Grund für ihre Trennung gewesen war. Er war die letzten anderthalb Jahre ihres Zusammenlebens so mürrisch und unleidlich gewesen, dass es verständlich gewesen wäre, wenn ihn Sylvie mit der Bratpfanne erschlagen hätte. Liebe und Orgasmen in den Armen eines anderen zu suchen war noch eine vergleichsweise milde Reaktion gewesen. Es war schwer zu sagen, welche Version für ihn die peinlichere war, aber alles, was auf sexuelle Defizite seinerseits hindeutete, sollte wohl – zumindest bei einem ersten Date – nicht unbedingt zur Sprache kommen. »Was hart war«, sagte er, um dem ganzen Thema zu entgehen, »war, meine Brötchen damit verdienen zu müssen, einen zweiten Roman zu schreiben.«
»Das glaube ich!«, sagte Margaret so bewundernd, als wäre er ein Kriegsveteran. Enrique schämte sich dafür, mit diesen unlauteren Methoden ihr Mitleid erregt zu haben, dabei hatte er die Wahrheit gesagt, auch wenn er das erst Jahre später erkennen sollte. Das Belastende an seiner Situation war nicht nur die Arbeit selbst gewesen, die ihn allein schon mehr als gefordert hatte; hinzu kamen noch der Druck desGeldverdienens und die Tatsache, dass er mit siebzehn eine Karriere eingeschlagen hatte, deren Verlauf ausschließlich von ihm abhing, von etwas Selbstgeschaffenem, dessen Wert für die Welt nur durch sein unverlässliches Talent bestimmt wurde. Margaret schien viel besser als er selbst zu verstehen, wie mühsam dieser Weg gewesen war. »Schon als Teenager so viel Selbstdisziplin aufbringen zu müssen. Wo ich mir denke, dass Romane zu schreiben sowieso schon so schwer ist. In jedem Alter.«
»Ja, es ist schwer.« Weil er das Gefühl hatte, ihr etwas vorzuspielen, wechselte er das Thema. »Wie hast du Bernard eigentlich kennengelernt? Er redet so viel von dir, aber er erzählt ja nie irgendwas Genaues.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Bernard ist so komisch, was seine Freunde angeht. Er packt all seine kleinen Welten in separate Kästchen.« Mit ihren zierlichen Fingern formte sie so etwas wie kleine Kästchen, die sie dann der Anschaulichkeit halber auseinanderrückte. Ihre Handgelenke waren kaum breiter als ein Streichholzbriefchen. »Von seinen Freunden, die nicht in Cornell waren, bist du der Erste, mit dem er mich bekannt macht.«
Ihre Getränke kamen, Enriques Cola mit Strohhalm. Dadurch fühlte er sich erst recht wie ein Kind. Vielleicht deshalb oder aus Angst, wieder bei dem problematischen Thema seiner Beziehung mit Sylvie zu landen, stürzte er sich in eine lange Bernard-Satire. Er erzählte, wie er Bernard gedrängt hatte, sie beide zusammenzubringen, indem er so getan hatte, als bezweifelte er Margarets Existenz. Die Geschichte entzückte sie. Es gefiel ihr, dass die beiden Männer sich so ausgiebig mit ihr beschäftigt hatten. Und sie war – was Enrique rührend und ermutigend fand – aufrichtig überrascht. Als Enrique schließlich die ganze Geschichte, mit dem Streit im Coffee Shop angefangen, zum Besten gegeben hatte, waren sie bereits mit dem Salat fertig undmachten sich gerade ans Hauptgericht. »Ist doch unlogisch«, sagte Margaret, während sie ein nicht sonderlich appetitlich aussehendes Stück Kalbsleber anschnitt. »Warum nimmt er mich mit in deine Wohnung, wenn er danach schon ausflippt, nur weil du mich anrufen willst?«
»Das habe ich mich auch gefragt. Ich hatte ja jede Menge Zeit, darüber nachzudenken, und es gibt mehrere Möglichkeiten, aber meine These lautet: Er hat einfach nicht gedacht, dass du mich mögen würdest.«
Margaret zog die Augenbrauen zusammen. »Nein«, verwarf sie seine Schlussfolgerung. Enrique konnte sich ein selbstzufriedenes Lächeln nicht verkneifen, weil sie damit ja implizit zugab, dass sie ihn mochte. Doch das war noch nicht alles an positiven Überraschungen. Sie setzte hinzu: »Er hat mich mit dir bekannt gemacht, weil er stolz auf dich ist.«
»Was?« Enrique war verblüfft. Er war es so gewöhnt, sauer auf Bernard zu sein, sich über dessen
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