Glückliche Ehe
Seitenhiebe gegen seine literarischen Fähigkeiten zu empören und wegen ihrer Realismusdebatten vor sich hinzuschäumen, dass der Gedanke, Bernard könne ihn genügend bewundern, um ihn als Freund vorzeigen zu wollen, ein regelrechter Schock war.
»Du bist ein richtiger Schriftsteller. Du hast Bücher veröffentlicht. Und deine Eltern sind auch Schriftsteller. Bernard ist stolz drauf, dich zu kennen. Das beweist doch all seinen skeptischen Cornell-Freunden, dass er zur Schriftstellerszene gehört. Du nimmst ihn ernst. Du bist jemand. Er hat mich zu dir mitgenommen, um mit dir anzugeben.«
Enrique wandte den Blick von ihren großen Augen, die im Flackerschein der Tischkerzen funkelten, um sich einen Moment ihrem Bann zu entziehen. Margarets Worte waren Balsam für sein wundes Ego. Wenn man ihn gefragt hätte, hätte er vermutet, dass Bernard hinter seinem Rücken über ihn herzog. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wieempfindlich er war, nach der allgemeinen Reaktion auf seine Frühreife, wie verunsichert angesichts seiner ungewissen Zukunft. In drei Monaten würde sein dritter Roman erscheinen, und er wusste, die Aussichten waren mäßig. Die erste Auflage betrug nur fünftausend Stück, es gab keinen Werbeetat, und seine Lektorin nahm seine Anrufe nicht mehr entgegen, weil sie die üblichen Aufgaben in Zusammenhang mit seinem Roman einer jungen Redaktionsassistentin übertragen hatte, ein sicheres Zeichen dafür, dass er kein Starautor war. Morgens beim Aufwachen hatte er meistens heftige Bauchschmerzen, als ob sich eine Stahlstange durch seinen Leib gebohrt hätte. Oft brauchte es über eine Stunde Dehn-, Massage- und Entspannungsmaßnahmen, bis der Schmerz nachließ. Von diesem körperlichen Angstsymptom hatte er niemandem erzählt. Keiner seiner Freunde wusste, dass er das Gefühl hatte, niemand sei auf seiner Seite, alle Schriftsteller, Rezensenten, Verlagsleute, Buchhändler und Leser lauerten nur darauf, sein Buch zu verreißen, um die Welt wieder in der Grundannahme zu bestätigen, an der sie nun mal so hing: dass Schriftstellerei viel schwieriger war, als es bei Enrique zunächst den Anschein gehabt hatte. Wie konnte er die Leute dazu bringen, ihm die scheinbare Leichtigkeit zu verzeihen? Indem er ihnen erklärte, dass ihm fast nichts leichtfiel, dass ihn das Schreiben seiner autobiographischen und offenbar zweitklassigen Romane seine ganze Kraft und nahezu seine gesamte Zeit kostete? Er hatte das Gefühl, dass ihn die Welt zu der einzigen Tür hinausschubste, die zu öffnen er einmal geschafft hatte, ihn aus dem einzigen Zuhause verstieß, das ihm auf dieser gefährlichen Welt Sicherheit geben könnte.
»Hallo?« Margaret beugte sich näher heran und strahlte ihn fröhlich an. »Wo bist du?«
Er fasste sich und war wieder der Enrique, von dem sie gesprochen hatte, als sein Blick zu ihren leuchtenden Augenzurückkehrte. Er lächelte, als wäre er absolut Herr der Lage. »Jetzt nimmst du mich doch auf den Arm.«
»Ich dich? Wieso denn?«
»Bernard? Stolz auf mich?«
Sie zuckte mit den eleganten schmalen Schultern. »Er hat allen Grund, stolz auf dich zu sein. Seine übrigen Freunde sind langweilige, schmuddelige Politfreaks oder Studenten, die in Wohngemeinschaften wohnen, keinen richtigen Job haben und herauszufinden versuchen, wer sie sind. Du bist richtig erwachsen. Du hast einen Beruf. Du hast drei Jahre mit einer Frau zusammengelebt. Du bist ein Mann.«
Enrique sank gegen das harte Holz seiner Stuhllehne. Drei Dinge waren ihm plötzlich klar. Erstens: Er hatte eine Chance, diese tolle, kluge, optimistische, schöne junge Frau zu kriegen. Zweitens: Margarets Bild von ihm als selbstbewusstem Künstler und reifem Mann, der sich der Welt stellte, war wunderschön und jämmerlich falsch. Und drittens: Er wünschte sich, mehr noch, als in ihren Armen zu liegen, der Phantommann zu werden, den er in ihren Samtaugen gespiegelt sah.
10 DAS PERFEKTE GESCHENK
V or dem Grab eines wohlhabenden New Yorkers wurde Enrique klar, dass er diese ästhetische Entscheidung – die endgültigste von allen – für Margaret fällen musste, ohne sie mit ihr abzusprechen. Aus bitterer Erfahrung wusste er, wie vermessen es war, ihre Präferenzen erraten zu wollen. Zu behaupten, er habe in den letzten neunundzwanzig Jahren keine Entscheidung gefällt, ohne seine Frau um Rat zu fragen, hätte zwar romantisch geklungen, wäre aber albern gewesen. Er fragte Margaret zwar nach ihrer Meinung, was seine Schreiberei und seine
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