Glücksboten
Wein oder Whisky, und von Schwester Stritchs Standpunkt aus musste Wein sicher besser sein.
Während Perdita den Abwasch besorgte und Schwester Stritch eine Ausgabe von Lady durchblätterte (wahrscheinlich, um nach einem besseren Job Ausschau zu halten), erkundigte sich Perdita: »Möchten Sie, dass ich heute Nacht bei Ihnen bleibe? Oder wären Sie auch allein im Haus zufrieden?«
›Zufrieden‹ war in diesem Fall ein relativer Ausdruck. Schwester Stritch wirkte entsetzt. »Mich allein im Haus lassen? Ich fürchte, das kommt überhaupt nicht infrage. Es gibt hier keine Alarmanlage, nicht einmal einen Wachhund. Ich könnte unmöglich allein hier bleiben.«
»Da bin ich ja froh, dass ich gefragt habe.« Perdita hatte sich danach gesehnt, nach Hause gehen und sich entspannen zu können. »Es macht mir keine Umstände zu bleiben.«
»Vielen Dank.«
Eine Sekunde lang entdeckte Perdita so etwas wie Verletzlichkeit bei Schwester Stritch. Das machte ihr Mut. Vielleicht steckte doch irgendwo ein menschlicher Zug in ihr.
Bei Kittys Ankunft zu Hause fehlten Fanfaren und Flaggen, ansonsten gab es alles, was zu einem Staatsbesuch dazugehörte. Zunächst einmal bestand sie sehr zur allgemeinen Missbilligung darauf, auf einer Bahre durch den oberen Teil des Gartens getragen zu werden, da der Rollstuhl das nicht bewältigte.
Glücklicherweise hatte Perdita einige der Unkräuter gejätet, die mit dem Frühlingssonnenschein erschienen waren, und sobald Kitty sich alles im Garten angesehen hatte, was ihr zugänglich war, ließ sie sich dazu herab, sich hineinbringen zu lassen.
»Diese jungen Männer können mich nicht bis in alle Ewigkeit in einer Sänfte herumtragen. Gib ihnen doch bitte ein Trinkgeld, Liebes.«
»Nicht nötig«, sagte ihr Chef, als Perdita ihm, zutiefst verlegen, den Zehnpfundschein aufdrängen wollte, von dem sie wusste, dass er Kittys Vorstellung von einem Trinkgeld entsprach. »Sie ist eine reizende alte Dame.«
Kitty war entsetzt über den Anblick ihres Wohnzimmers, obwohl die Tischler einen sehr hübschen Bogen um die Tür zu dem neuen Badezimmer gebaut hatten und Perdita auf dem Kaminsims Kittys Lieblingsporzellanstücke aufgestellt hatte.
»Es ist nicht so, dass das Zimmer nicht hübsch wäre, Liebes«, meinte sie beinahe entschuldigend, »es ist nur einfach nicht meins.«
»Ich denke, Sie sollten jetzt zu Bett gehen, Mrs Anson«, erklärte Schwester Stritch. »Wenn Sie sich übermüden, haben Sie später keine Kraft mehr für Ihre Physiotherapie.«
»Ich setze den Kessel auf. Ich denke, wir könnten jetzt alle ein Tässchen vertragen«, schlug Perdita vor, die nicht in das Kreuzfeuer geraten wollte, das jetzt möglicherweise entbrennen würde.
»Na schön.« Kitty klang müde. »Es wird mir ein Vergnügen sein, einen ordentlichen Tee aus einer ordentlichen Porzellantasse zu trinken, das muss ich schon zugeben.«
Während Perdita den Tee zubereitete, erschien Roger. Sie ließ ihn durch die Gartentür herein.
»Hallo, ich wollte nur schnell Tante Kitty Guten Tag sagen. Es ist so wundervoll, dass du es geschafft hast, sie nach Hause zu holen. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sie das Krankenhaus lebendig verlassen würde.« Er lächelte mitleidig.
Perdita, die recht optimistisch gewesen war, wurde plötzlich von tiefer Niedergeschlagenheit befallen. Das war die Antiklimax, befand sie. »Nun, sie ist sehr lebendig. Geh und sag ihr Guten Tag, bevor diese einschüchternde Krankenschwester sie zu Bett bringt.«
Roger schien sehr gut mit Schwester Stritch auszukommen. Im Gegensatz zu Perdita war er in der Lage, ihr ein Lächeln zu entlocken. Er überredete sie sogar, einen Keks zu essen. Perdita hätte sich diese Mühe gespart.
Als Perdita später mit frischem heißen Wasser für die Teekanne zurückkam, berichtete Kitty: »Perdita, mein Liebes, Roger hat uns gerade erzählt, dass sein Hotel ihn gebeten habe abzureisen.«
Perdita betrachtete ihn mit neuem Interesse. Hatte man ihn wegen ungehobelten Benehmens rausgeworfen?
»Ja«, sagte er. »Man erwartet dort eine Hochzeitsgesellschaft, was ich ja auch von Anfang an wusste, aber da ich nicht erwartet habe, so lange hier zu sein, war ich natürlich damit einverstanden. Jetzt muss ich mir etwas anderes suchen.«
Was für eine Enttäuschung, dachte Perdita. »Aber es gibt Unmengen guter kleiner Hotels in der Stadt. Du würdest sicher etwas anderes finden, das genauso angenehm wäre.«
»Ich habe Roger gefragt, ob er nicht hier wohnen
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