Glücksboten
rechnete sie mit einem kühlen Empfang, und so war es eine Erleichterung, auf so viel Betriebsamkeit in der Küche zu stoßen, dass niemand ihre Ankunft überhaupt bemerkte. Mehrere Personen hatten sich um Lucas geschart, der vor sich hin wütete und entnervt die Hände hochwarf.
»Das hier ist eine professionelle Küche. Mir leuchtet nicht ein, warum sie nicht benutzt werden darf!«
»Aber wir machen unsere Sendung nicht für Profis«, erklärte ein junger Mann mit kultiviertem Akzent, dünnen Haaren und ängstlichem Gesichtsausdruck. »Es geht um Unterhaltung.« Er klang müde.
Bei dem Wort »Unterhaltung« verfinsterte sich Lucas' düstere Miene noch mehr. »Aber ich dachte, der Drehort sei schon vor Monaten abgesegnet worden! Noch bevor man überhaupt an mich herantrat!«
»So war es auch.« Der müde junge Mann schien genauso frustriert zu sein wie Lucas. »Aber nicht von mir. Er ist einfach nicht interessant genug.«
Lucas öffnete den Mund, um seinen Besucher anzuschreien, besann sich dann aber eines Besseren. Perdita beschloss, sich rasch bemerkbar zu machen.
»Hallo allerseits!«, rief sie über die oberste ihrer Kisten hinweg. »Ich bringe das Gemüse.« Aller Augen richteten sich auf sie. »Ich stelle es einfach in den Kühlraum, ja? Du hast ja offensichtlich zu tun.« Niemand bewegte sich oder sprach, daher schlängelte sie sich zwischen den übrigen Anwesenden hindurch, bis sie vor dem Kühlraum stand. »Es könnte mir wohl nicht jemand die Tür öffnen, nein?« Sie lächelte, um zu zeigen, dass sie sich der Störung, die sie verursachte, durchaus bewusst war und dass sie sich so schnell wie möglich entfernen wollte.
Der Mann, der mit Lucas gesprochen hatte, reagierte sofort und öffnete ihr die Tür. »Barockengel in Jeans«, murmelte er, während sie hindurchging. »Und seht euch mal dieses Gemüse an!«
»Wer ist dieses entzückende Geschöpf?«, erklang eine andere Stimme, sodass Perdita im nächsten Augenblick höchst dankbar für die Kälte im Kühlraum war.
»Das ist Perdita von Bonyhayes Salads«, hörte sie Lucas antworten.
»Ich finde, wir sollten sie unbedingt mit reinnehmen. Das wäre ein wunderbarer Kontrast zu Lucas. Ihr wisst schon, so was wie Engel und Teufel.«
Perdita warf die Tür hinter sich zu, damit sie Lucas' Antwort nicht mitbekam. Sie würde vielleicht teuflischer ausfallen, als sie ertragen konnte. Dann stapelte sie die Kisten übereinander und blieb so lange im Kühlraum, wie es ihr möglich war, ohne eine ernsthafte Unterkühlung zu riskieren. Gleichzeitig versuchte sie sich die Bedeutung dessen, was sie gehört hatte, klar zu machen. Offenbar genügte es Lucas nicht, sich von einem Großstadtpinkel in einen Koch zu verwandeln, er wollte auch noch ins Fernsehen kommen. Nun, er brauchte sich gar nicht erst einzubilden, dass er sie mit solchen Mätzchen beeindrucken konnte. Als sie aus dem Kühlraum herauskam, war die Küche immer noch voller Menschen.
Und Lucas, die Arme vor der Brust verschränkt, blickte so finster drein wie zuvor, aber diesmal war der finstere Blick auf sie gerichtet. Der Mann mit dem dünnen Haar sah sie ebenfalls an, doch er lächelte, und zwar ungeheuer charmant.
»Perdita?« Er griff nach ihrer Hand. »Ich bin David Winter, und ich denke, Sie sind vielleicht die Antwort auf unsere Gebete.«
»Sie wohnt wahrscheinlich in einem mehrstöckigen Mietshaus«, murmelte Lucas.
»Perdita? Ich darf Sie doch so nennen? In was für einem Haus leben Sie?«
»Oh, es ist ein kleines Cottage ...«
»Perfekt! Ist es malerisch?«
»Nun, ich finde es sehr hübsch, aber es ist nicht von oben bis unten renoviert oder restauriert oder sonst etwas in der Art.« Sie hatte das Gefühl, dass diese Leute glaubten, alle Cottages seien Kandidaten für einen Artikel in Country Living. Ihr Häuschen würde sich eher für eine Vorher-Nachher-Geschichte eignen, und zwar definitiv für die Kategorie »Vorher«. »Irgendwie habe ich nicht viel Zeit für Verschönerungsarbeiten«, fügte sie nachdrücklich hinzu.
»Meinen Sie, wir könnten es uns mal ansehen?«, fragte David. »Wir suchen nach einem Drehort hier in der Nähe. Für unsere Kochserie.« Er runzelte die Stirn, da er sah, dass sie nähere Erklärungen brauchte. »Es geht um den Pilotfilm zu einer Serie, in der professionelle Köche in echten Küchen arbeiten ...«
»Das hier ist eine echte Küche«, bluffte Lucas ihn an.
»Aber sie hat absolut kein Herz. Tut mir Leid, Lucas, doch die Zuschauer wollen
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