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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Unterhaltungsbranche?«
    »Für so was ist jetzt keine Zeit, Helen.«
    »Ist gut. Bin schon auf dem Weg.«
    Ich fuhr wie eine Verrückte, aber das hätte ich in jedem Fall getan. Ich glaube nicht an Geschwindigkeitsbegrenzun gen. Wenigstens nicht auf richtigen Straßen. Innerhalb einer Siedlung, klar. Wo Kinder leben, bin ich bereit, nein, sogar erfreut, mit zehn Meilen pro Stunde zu fahren. Will ich meine verdrehte Psyche etwa auch noch mit Schuldgefühlen beladen, weil ich ein Kind überfahren habe? Mit Sicherheit nicht. Aber auf einer richtigen Straße, an einem der seltenen Tage, wenn Dublin nicht im Verkehrsstau erstickt, sollte es mir erlaubt sein, bei angemessener Geschwindigkeit zu fahren.
    Ein mir nicht bekanntes Auto parkte vor dem Haus meiner Eltern. Eins von diesen emissionsarmen Dingern. Das allein hätte ein Hinweis auf die Identität des Besuchers sein können.
    Mum machte die Tür auf, bevor ich meinen Schlüssel rausholen konnte. Ihr Gesicht sah merkwürdig aus. Als hätte sie eine Vision gehabt und wüsste nicht recht, was sie davon halten sollte. Als wäre ihr die Heilige Jungfrau erschienen.
    Sie nahm mich am Arm und führte mich ins Haus.
    »Was ist hier los?«, fragte ich.
    »Er ist hier drin«, sagte sie. Sie schob mich in Richtung Wohnzimmer, der »guten Stube«, wollte aber offenbar nicht mit reinkommen. »Geh rein.«
    »Kommst du nicht mit?«
    Wollte sie sich tatsächlich ein Drama entgehen lassen? Das war sonst gar nicht ihre Art.
    »Ich kann nicht«, sagte sie. »Mein Kreislauf hält das nicht aus. Ich fürchte, ich könnte einen Schlaganfall bekommen. Dein Vater musste sich wieder ins Bett legen. Sein Blutdruck ist in die Höhe geschossen. Wir haben beide einen Betablocker genommen.«
    »Aha, okay.«
    Ich machte die Tür auf und ging ins Zimmer. Auf dem Sessel mit dem geblümten Polster, neben sich eine von Mums guten Tassen mit Tee, saß … nicht Wayne.
    Sondern Docker.
    Einer der berühmtesten, attraktivsten, charismatischsten Männer auf unserem Planeten. Es war so unpassend, so unerwartet, so surreal, dass mein Körper eine Ohnmacht erwog, gleichzeitig aber wusste, dass das nicht dramatisch genug war. Ich wurde mir plötzlich jeder meiner Zellen bewusst, jedes einzelnen Funkens Energie, der wild durch meinen Körper jagte. Ich bitte um Nachsicht für diese unfeine Bemerkung, aber meine normalerweise einwandfrei funktionierenden Schließmuskeln drohten einen Moment lang zu versagen.
    »Helen? Helen Walsh?« Er schoss hoch, sein strahlendes Charisma breitete sich im ganzen Zimmer aus. Er streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Docker.«
    »Ich weiß«, sagte ich schwach und blickte in sein sonnengebräuntes, außerordentlich berühmtes Gesicht.
    »Entschuldigen Sie, dass ich einfach so reinplatze, Ihre Mail wurde mir weitergeleitet, und ich war in der Nähe. Ich war in England …«
    »Ich weiß. Es war in den Nachrichten …«
    »Und ein Freund von mir wollte nach Dublin fliegen, da habe ich mich von ihm mitnehmen lassen.«
    Einen Satz wie diesen, so angefüllt mit Andeutungen, hatte ich in meinem Leben noch nicht gehört. Dockers »Freund« war offensichtlich Bono, und anscheinend kamen auch Privatflugzeuge vor.
    »Mir ist ein bisschen …«
    »Ja, kommen Sie, setzen Sie sich.« Er führte mich zum Sofa.
    »Würden Sie sich neben mich setzen?«, fragte ich ihn. »Damit ich später sagen kann, ich hätte mit Docker auf dem Sofa gesessen.«
    »Klar.«
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich in einer heftigen Anwandlung von Aufrichtigkeit. »Für Sie muss es schrecklich sein, wenn die Menschen in Ihrer Gegenwart immer in Schockstarre verfallen.«
    »Das ist nicht so schlimm«, sagte er. »Nach einer Weile vergeht das. Sie gewöhnen sich an mich.«
    »Woher wussten Sie, wo ich wohne?«
    »Ich habe mich durchgefragt.«
    »Im Ernst?« So einfach war das. Wie es wohl war, über solche Verbindungen zu verfügen?
    »Und wo ist er?«, fragte ich.
    »Wayne? Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe Wayne lange nicht gesehen. Seit Jahren nicht mehr. Auch nicht mit ihm gesprochen.«
    »Aber Sie schicken ihm jedes Jahr im Mai fünftausend Dollar.«
    »Tue ich das?«
    »Ja. Über Ihre Firma. Ein Dauerauftrag. Für den Refrain von ›Windmill Girl‹.«
    Er starrte mich an. »Das hatte ich ganz vergessen. Aber Sie haben recht.«
    Ich starrte zurück. Wie es wohl wäre, so reich zu sein, dass man es nicht mal bemerkt, wenn fünftausend Dollar vom Konto

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