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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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runtergehen?
    »Und … Wenn Sie nicht wissen, wo Wayne ist, warum sind Sie dann gekommen? Und warum so früh?«
    »Ist es früh?«
    »Eh … ja. Es ist halb acht.«
    »Entschuldigung. Ich verstehe. Aber ich war die ganze Nacht auf, und vielleicht bin ich noch auf syrische Zeit eingestellt. … Sie wissen, wie das ist.«
    »Nein, ganz und gar nicht.« Ich betrachtete ihn mit ernst hafter Bewunderung. Diese Kosmopoliten! »Aber noch mal: Wenn Sie nicht wissen, wo Wayne ist, warum sind Sie dann gekommen?«
    »Ich möchte helfen. Wayne war sehr gut zu mir. Ich bin ihm verpflichtet. Ich hatte immer ein bisschen … Sie verstehen … Für mich ist alles so gut gelaufen.«
    Was er sagte, stimmte absolut. »Von weißen Anzügen und synchronisiertem Tanzen haben Sie sich meilenweit entfernt.«
    »Aber es wird immer ein Teil von mir sein.«
    »Das müssen Sie sagen, ich weiß«, sagte ich. »Aber meinen Sie das auch?«
    Er schien verdutzt. »Na ja … es ist sehr lange her. Aber es hat Spaß gemacht. Gelegentlich, vielleicht einmal im Jahr, träume ich davon, von dem Singen und Tanzen, von den alten Auftritten. Damals war das Leben einfach.«
    Ich lächelte ihm unter halb geschlossenen Augenlidern euphorisch zu. Ich war in einen seltsamen, abgehobenen Zustand geraten. Der Schock, kein Zweifel.
    »Das erste Konzert findet heute Abend statt«, sagte ich. »Die anderen drei Bandmitglieder sind dringend auf das Geld angewiesen. Falls Sie also etwas wissen, falls Sie Wayne irgendwie schützen wollen, dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, ihn uns zu übergeben.«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung, wo er ist«, sagte er. »Ich habe seit über zehn Jahren weder mit ihm noch mit den anderen Laddz gesprochen. Aber ich gebe Ihnen meine private Handynummer, Helen.«
    »Danke.« Ich war ein bisschen ernüchtert. Ich war nicht blöd. Ich wusste, dass die Nummer, die er mir geben würde, eine sogenannte »Privatnummer« war, die er Tausenden von Menschen gab. Docker selbst würde nie am Telefon sein, immer nur einer seiner Sklaven.
    »Nein, im Ernst«, sagte er, als er meine Reaktion gedeutet hatte. »Ich meine, meine echte Privatnummer, nicht die Nummer, die ich den meisten Menschen gebe.«
    Docker bestand darauf, dass ich sie in mein Handy tippte, dann musste ich ihn anrufen. Und tatsächlich klingelte das Handy in der Brusttasche seines T-Shirts. Er holte es her vor und sagte: »Hallo, Helen.« Er bedachte mich mit einem Lächeln, für das er berühmt war, und sofort brach mir der Schweiß auf der Stirn aus.
    »Sehen Sie«, sagte Docker. »Es gibt mich wirklich.«
    »Oh, mein Gott«, flüsterte ich mir zu. »Ich habe Dockers private Telefonnummer.«
    »Und ich habe Ihre Nummer«, sagte er fröhlich. »Jeder hat die Nummer des anderen.« Als wäre es ein Austausch unter Gleichen.
    »Gut«, sagte er, und seine Körpersprache deutete an, dass meine Audienz mit ihm gleich zu Ende war. »Wenn ich irgendwie in der Sache mit Wayne behilflich sein kann, rufen Sie mich an, und ich bin augenblicklich zur Stelle.«
    »Was haben Sie jetzt vor?«, fragte ich. »Fliegen Sie wieder nach L. A.?«
    »Morgen. Heute Nachmittag treffe ich ein paar Freunde in Dublin, morgen fliege ich nach L. A. Sollte ich in der Zwi schenzeit irgendetwas von Wayne hören, setze ich mich sofort mit Ihnen in Verbindung.«
    »Docker«, sagte ich, »sind Sie ein guter Mensch?«
    »Wie bitte?« Er schien verblüfft.
    »Sind Sie ein guter Mensch, Docker? Ich weiß, dass Sie dauernd Gutes tun. Aber besteht das nur darin, dass Sie und Ihre berühmten Freunde um die Welt fliegen, exotische Orte aufsuchen und sich von den Menschen anhimmeln lassen? Oder würden Sie für jemanden auch eine Anstrengung unternehmen?«
    »Ich bin ein guter Mensch. Ich würde für jemanden eine Anstrengung unternehmen.« Er lachte. »Was soll ich sonst sagen?«
    »Es ist ein Geschenk, wenn man jemandem helfen kann, richtig, Docker?«
    Plötzlich änderte sich seine Haltung, und er wurde wachsam. Er argwöhnte, dass ich irgendetwas mit ihm vorhatte. Damit lag er richtig.
    »Das ist es«, sagte er halbwegs resigniert. »Ein Geschenk.«
    »Und man bekommt mehr zurück, als man gibt, richtig?«
    »Richtig«, sagte er trocken.
    »Wunderbar. Jetzt, da wir das geklärt haben, kann ich Ihnen auch sagen, dass Sie eine Sache tun müssen. Sie müssen nach Leitrim fahren.«
    »… Okay.«
    »Sagen Sie Ihren Nachmittag mit Freunden in Dublin ab und rufen Sie diese Nummer an. Es ist die Nummer von einem Mann namens

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