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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Ampel halten musste, legte ich für einen Moment den Kopf aufs Lenkrad und gab mich dem krampfartigen Weinen hin. Dann bemerkte ich, dass jemand mich beobachtete – ein junger Mann im Auto neben mir. Er kurbelte das Seitenfenster am Beifahrersitz runter. Seine Miene war besorgt, und ich las die Worte von seinen Lippen ab: »Alles in Ordnung?«
    Ich wischte mir mit dem Arm übers Gesicht und nickte: Ja. Ja, bestens, danke, alles in Ordnung.
    Artie wartete an der Doppeltür vor seiner Büroetage auf mich. Er sah wie ein Mensch aus, der schreckliche Qualen litt. Sein Blick streifte über mein tränennasses Gesicht, aber er sagte nichts.
    Ich wollte zu seinem gläsernen Büro gehen, aber er hielt mich zurück. »Nein, nicht da rein. Zu öffentlich.«
    »Wohin?«
    Er brachte mich in ein spezielles Büro, eins ohne Fenster. »Sollen wir uns setzen?«
    Ich nickte, stumm vor Kummer, und ließ mich auf einen der unbequemen Bürostühle sinken. Artie setzte sich mir gegenüber.
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte er.
    Daran zweifelte ich nicht.
    »Ich würde es lieber nicht tun«, sagte er.
    »Dann lass es«, sagte ich.
    »Dazu ist es zu spät«, sagte er. »Es ist schon passiert. Kein Weg zurück. Der Schaden ist angerichtet. Es war eine extrem schwere Entscheidung. Ich fühle mich hin- und hergerissen. Aber …« Er verstummte und sah unglücklich in die Zim merecke, seine Ellbogen auf die Knie gestützt, die Hand über den Mund gelegt.
    Ich hielt es nicht länger aus. »Sag es einfach.«
    »Also gut.« Er richtete den Blick auf mich. »Ich habe mir den Vertrag angesehen. Eine Kopie konnte ich nicht machen, versteht sich. Wenn bekannt würde, dass ich ihn mir angesehen habe … Jedenfalls, der Punkt ist der: John Joseph Hartley steckt bis zum Hals drin.«
    »Wo drin?«
    Artie sah mich überrascht an. »Er hat in die Laddz-Konzerte investiert. Und er hat keine Versicherung. Er konnte sich keine leisten. Wenn die Konzerte nicht stattfinden, ist er erledigt. Für ihn ist es überlebenswichtig, dass Wayne zurückkommt.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich sprechen konnte. Die Information über John Joseph war nützlich – wenn auch keine echte Enthüllung –, aber das war nicht der Grund, warum ich nicht sprechen konnte. Es war, dass Artie ein solches Risiko für mich eingegangen war. »Du hast mich in dieses grässliche Zimmer gebracht, um mir das zu sagen? Dass du für mich einen Privatvertrag eingesehen und damit deine Laufbahn aufs Spiel gesetzt hast?«
    »Das ist noch nicht alles.«
    Ja, dachte ich’s mir doch.
    »Dein Freund Jay Parker steckt auch in der Sache drin.«
    »Mein Freund?«
    »Ja, dein Freund.«
    »Er ist nicht mein Freund.«
    Artie sah mich schweigend an. »Nein?« Artie war nicht dumm. »Ich hatte … befürchtet, es sei zwischen euch noch nicht endgültig vorbei.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Da ist nichts mehr. Die Sache zwischen mir und Jay Parker ist ganz und gar …« Wie konnte ich es am besten ausdrücken? » … vorbei. «
    »Das … erleichtert mich.« So viel Unterschwelliges zwischen Artie und mir. Wir benahmen uns eben doch wie in einem Jane-Austen-Roman, wie meine Mum immer sagte.
    »Noch etwas.«
    »Sag …«
    »Harry Gilliam hat auch investiert. Er versteckt sich hinter einer Holding. Alles raffiniert und hässlich, aber die Einzelheiten interessieren jetzt nicht. Wichtig ist, dass er gefährlich ist, Helen. Es steht mir nicht zu, dir zu sagen, was du zu tun hast, aber du solltest dich wirklich von ihm fernhalten.«
    »Okay. Mach ich. Weiter …?«
    »Weiter, was?«
    »Das war alles, was du mir sagen wolltest?«
    Er schien etwas überrascht. »Eh … ja. Gibt es denn noch etwas anderes?«
    »Ich dachte, du hast mich herbestellt, um mit mir Schluss zu machen.«
    Er sah mich lange und durchdringend an. »Warum sollte ich das tun?«, fragte er sanft. »Ich liebe dich doch.«

66
    W irklich?« Himmel. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er sah mich wachsam an, denn jetzt war ich an der Reihe.
    Und mit einem Mal war es so leicht. »Ich liebe dich auch.«
    »Ja? Wirklich?«
    »Ja. Wirklich.«
    »Herr im Himmel.« Er schien vor Erleichterung in sich zusammenzusacken. Dann breitete sich langsam ein Lächeln über sein Gesicht aus. Mein Gott, er war so schön.
    »Da ist nur eins …«, sagte ich.
    »Vonnie. Ich weiß«, sagte er ernst. »Ich habe mit ihr gesprochen. Das muss aufhören, dass sie kommt und geht, als würde sie noch in dem Haus wohnen. Und ich habe mit den Kindern

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