Glücksfall
geblieben war, einpackten und in ein Depot brachten.
Um diese düsteren Gedanken zu verscheuchen, setzte ich mich auf Waynes Sofa, was eine wunderbare Erfahrung war. Dann wechselte ich in einen seiner Sessel, und auch das war sehr angenehm. Ich merkte, dass ich mich in dem Haus wohlzufühlen begann, und darin lag eine Gefahr, denn ich stand noch unter dem Schock des Verlusts meiner eigenen wunderschönen Wohnung, was schließlich erst einen Tag zurücklag. Ich hatte Waynes Schlüssel und den Code für die Alarmanlage, da musste ich aufpassen, dass ich nicht versehentlich einzog.
Also. Ich machte eine Liste der Aufgaben.
Gloria finden.
Die Nachbarn befragen.
Mit Birdie sprechen.
Digby, den möglichen Taxifahrer, finden.
Nach Clonakilty fahren und mit Waynes Eltern sprechen, aber nicht gleich. Erst, wenn es nicht mehr wie der normale nächste Schritt aussah.
Doch statt mit meiner Aufgabenliste wie der Wirbelwind zur Tür hinauszueilen, beschloss ich, mich eine Weile auf dem Fußboden im Wohnzimmer auszustrecken, auf einem sehr attraktiven Teppich, und an die Decke zu starren (die in gewagtem Ennui gestrichen war). Ich stellte laut die Frage: »Wo bist du, Wayne?«
Wo war er? Fuhr er mit einem Camper in Connemara herum und fotografierte Ginsterbüsche? Oder war er entführt worden? Ich hatte die Idee nicht richtig ernst genommen, weil Jay und die anderen Laddz so sehr darauf beharrten, dass Wayne nur schmollte, aber plötzlich sah ich vor meinem geistigen Auge, wie Wayne in einen dunklen Wagen geworfen wurde, Arme und Beine mit Elektrokabel gefesselt.
Doch wer würde ihn entführen? Warum würde jemand ihn entführen? Er hatte kein Geld. Oder doch? Hatte ich bei meiner oberflächlichen Untersuchung seiner finanziellen Lage etwas übersehen? Ich musste noch einmal in sein Büro gehen und nachsehen, denn normalerweise gibt es zwei Gründe, weshalb Menschen verschwinden: Geld und Liebe.
Und wenn es nicht darum ging, ein Lösegeld zu erpressen, gab es noch andere Gründe für eine Entführung. Jemand könnte das Comeback der Laddz sabotieren wollen. Jemand, der etwas gegen Jay hatte (da musste es Hunderte von Menschen geben) oder gegen die Sponsoren. Andererseits schien es sinnlos, Wayne so lange vor dem ersten Auftritt zu entführen – je länger man einen Menschen gefangen hält, desto größer die Chance, dass man entdeckt wird.
Wenn jemand ernstlich an Sabotage dachte, hätte er Wayne am Mittwoch entführt, am Tag des ersten Konzerts. Dann wäre keine Zeit gewesen, ihn zu finden, die Presse zu instruieren, Erstattungen zu organisieren … Ein riesiges Chaos wäre entstanden.
Natürlich gab es auch die Möglichkeit, dass ein Wahnsinniger am Werk war. Ein übergeschnappter Fan, ein Stalker, dessen Hingabe außer Kontrolle geraten war, könnte sich Wayne gegriffen haben. In diesem Moment könnte Wayne, in einem schlecht sitzenden weißen Anzug an ein rosarotes Sofa gekettet, in einer plüschigen Höhle sitzen und die größ ten Laddz-Hits immer wieder von Neuem singen müs sen, während seine geheimnisvolle Entführerin (wenn, wäre es eine Frau) rief: »Noch mal von vorne, von vorne.«
Oder konnte die Sache eine Finte sein, von Jay inszeniert? Um den Kartenverkauf anzukurbeln?
(Wie lief überhaupt der Kartenverkauf? Das musste ich herausfinden.)
Konnte es sein, dass Jay ein doppeltes Spiel mit mir trieb? War es möglich, dass er Wayne vorübergehend hatte »verschwinden lassen«? Und mich angeheuert hatte, um ihn zu »finden«? Aber mich in Wirklichkeit für den Job ausgesucht hatte, weil ich unfähig war?
War das Gerede, die Presse raushalten zu wollen, eine Täuschung? Würde in ein, zwei Tagen auf mysteriösen Wegen etwas über den »verschwundenen Wayne« in die Boulevardblätter gelangen? Und einen riesigen Run auf die Karten auslösen, weil die Leute sehen wollten, ob Wayne am ersten Abend auf der Bühne stand?
Die Vorstellung versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Wenn Jay Parker, der Mistkerl, tatsächlich so etwas geplant hatte, dann … dann …
Meine Wut wich einem Gefühl von Trostlosigkeit. Mir würde schon eine Strafe einfallen, ich würde nur nicht jetzt darüber nachdenken, jetzt wollte ich über Wayne nachdenken.
Ich weiß nicht, warum, ich kannte ihn ja gar nicht, aber ich wollte ihm helfen. Wahrscheinlich, weil ich fand, dass er nett aussah.
Was natürlich ein klägliches Kriterium war. Man brauchte nur an Stalin zu denken. Wüsste man nicht, dass er ein Böser war, könnte man
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