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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Maschendraht verpackt und in Kofferräumen verstaut.
    In der Halle selbst war die Stimmung gemäßigt festlich. Weihnachtsmusik dudelte im Hintergrund, und ich schlenderte von Stand zu Stand. Ich erstand einen kleinen selbst gebackenen Schokoladenkuchen und blieb stehen, um die Lotteriepreise zu begutachten – Herr im Himmel, sie waren lachhaft: eine Flasche Gingerale, eine Rolle Tesafilm, eine Packung Marlboro Lights. Aber alles diente einem guten Zweck. Ich kaufte eine Handvoll Lose.
    An dem Stand mit Marmelade und Chutney blieb ich stehen und wollte von der Frau den genauen Unterschied zwischen Marmelade und Chutney erklärt haben, doch als sie mir keine befriedigende Auskunft geben konnte, ging ich weiter, ohne etwas gekauft zu haben, worüber sie eindeutig erleichtert war.
    Die Frau an dem Stand mit Strickwaren strickte tatsächlich – »Eine Balaklava für meine Großnichte«, sagte sie und klapperte munter und selbstzufrieden mit den Nadeln. Geht es nur mir so, oder ist das Geräusch von klap pernden Stricknadeln das unheilvollste Geräusch auf der Welt? Und die seltsamen Dinge, die auf diese Weise fabriziert werden – gibt es wirklich Leute, die so was wie diese Sturmhaube anziehen? Weil mir die Frau Angst einflößte, gab ich vor, ihre kratzig aussehenden Produkte eingehend zu betrachten, aber ehrlich, ich spürte schon, wie Pickel auf meiner Haut entstanden.
    »Was ist das?«, fragte ich und betrachtete verwundert ein Ding, das wie eine flauschige Halsmanschette aussah.
    »Das ist ein Schlauchschal«, sagte sie verärgert. »Ein hübscher, handgestrickter Schlauchschal. Ziehen Sie ihn über, er hält Ihren Hals und Nacken schön warm.«
    Ich musste sofort von ihr weg. »Ich glaube, Sie haben gerade eine Masche in der Mütze für Ihre Großnichte fallen lassen«, sagte ich, und als sie sich aufgeregt über ihre Arbeit beugte, ging ich schnell zum nächsten Stand, einem Büchertisch, auf dem sich gelbstichige Taschenbücher türm ten. »Fünf für einen Euro«, bellte die Bücherverkäuferin mich an. »Zwölf für zwei Euro.«
    »Ich lese nicht viel«, sagte ich.
    »Ich auch nicht«, sagte sie. »Aber man kann sie zum Feueranzünden benutzen. Der nächste Winter wird hart. Fünfzig für fünf Euro. Ich gebe Ihnen den ganzen Tisch für zehn.«
    Dann – ich hatte mir das Beste bis zum Schluss aufgehoben – ging ich zu meinem Lieblingsstand, dem mit dem Trödel. Oder besser, dem Ramsch.
    Normalerweise lag an diesem Stand der letzte Schrott: zerbrochene Ornamente, Teller mit Sprung, ein einzelner Schlittschuh. Offensichtlich hatte sich die Frau vom Gemeindekomitee, die diesen Stand betreute, im Laufe des Jahres etwas Schlimmes zuschulden kommen lassen, denn es war richtig demütigend, bei diesem ganzen Krempel sitzen zu müssen.
    Nicht nur konnte man keinen Stolz für die ausgelegten Waren empfinden, sondern man saß dort auch fern von den anderen, in einem echten Sibirien. Die meisten Basarbesucher machten einen großen Bogen um den Stand. Bazillen, die schreckliche Angst vor Bazillen! Da fiel mir etwas für meine Tonne ein: Menschen, die mit einem dramatischen Erschauern »Igittigitt« bei dem Gedanken sagen, dass jemand anders etwas berührt haben könnte. Eine affektierte Überempfindlichkeit, die erst vor Kurzem aus den USA zu uns gekommen ist. Sehr, sehr ärgerlich. Keine Ahnung, was die Leute damit beweisen wollen. Dass sie einen höheren Reinlichkeitsanspruch haben als die anderen? Dass die anderen schmutziger sind als sie selbst? Tatsache ist, dass die Menschheit eine sehr lange Zeit überlebt hat (viel zu lange, wenn man mich fragt), ohne dass die in Höhlen lebenden Jäger und Sammler eine kleine Tube anti bakterieller Handcreme mit Granatapfelduft im Lendenschurz bei sich getragen hätten.
    Ich kramte in dem Trödel und erlebte einen kurzen erregenden Moment, als ich ein Paar Salz-und-Pfeffer-Streuer in Form von zwei Kamelen fand. Bis ich sie in die Hand nahm und sah, wie grottenhässlich sie tatsächlich waren. Ich stellte sie schnell zurück.
    Hoffnung keimte in der Dame im Twinset hinter dem Tisch auf und verlosch dann wieder.
    Zwischen all dem Krempel sah ich plötzlich etwas, das möglicherweise nicht kompletter Schrott war! Eine Haarbürste mit Silberrücken und ein dazu passender Handspiegel. Irgendetwas daran war traurig und gespenstisch, als hätte beides einem Kind im achtzehnten Jahrhundert gehört, das an der Pest gestorben war (vielleicht hätte eine Tube antibakterieller Handcreme

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