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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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wurden gestrichen; meine Waschmaschine ging kaputt, und ich konnte sie nicht reparieren lassen; meine elektrische Zahnbürste ging kaputt, und ich konnte mir keine neue kaufen. Die offensichtliche Lösung bestand darin, meine Wohnung zu verkaufen, doch dann ließ ich sie schätzen und stellte fest, dass ich nach Rückzahlung der Hypothek mehr für die Wohnung bezahlt hätte, als ihr momentaner Marktwert war.
    Wie hunderttausend andere auch ging ich zum Sozialamt und war gespannt, welche Vorwände sie finden würden, um mich abblitzen zu lassen. Sie stürzten sich auf die Tatsache, dass ich selbstständig war. Fairerweise muss man sagen, wäre es nicht das gewesen, hätten sie einen anderen Grund gefunden – dass ich lange Haare hatte, dass ich an einem Dienstag geboren war, dass ich als Kind geglaubt hatte, alle Katzen seien Mädchen und alle Hunde Jungen und dass sie einander heiraten würden. Sozialhilfe kriegte man nur, wenn man nie arbeitete. Hier also mein Rat: Gleich nach der Schule Stütze beantragen und nie, nie einen Job annehmen.
    Jedes Honorar, das ich bekam, wurde nach bestimmten Prioritäten ausgegeben. Ich musste meine Steuer bezahlen, weil ich nicht im Knast enden wollte; ich musste ein Telefon haben – das war meine Rettungsleine, mehr als Nahrung oder Cola light; und wenn möglich, würde ich mein Auto behalten – ohne Auto konnte ich meine Arbeit nicht tun, und sollte es zum Schlimmsten kommen, konnte ich in meinem Auto leben. Ich machte das, wovon einem strengstens abgeraten wird: Ich benutzte meine Kreditkarte für meine Hypothekenrückzahlungen. Als das Kreditlimit erreicht war, musste ich damit aufhören. Ich bekam eine kleine Gnadenfrist, bevor ich auf die Straße gesetzt wurde: weil so viele Menschen mit ihren Rückzahlungen im Verzug waren, hatte die Regierung eine zeitweilige Amnestie erlassen.
    Dennoch war es nur eine Frage der Zeit, bis ich obdachlos wurde, und inzwischen schuldete ich einen beängstigend hohen Betrag auf meiner Kreditkarte und war nicht in der Lage, auch nur die kleinste Rückzahlung zu leisten. Das machte mir so viel Angst, dass ich mir erlaubte, die Rechnungen erst gar nicht aufzumachen. Nach einer Weile kamen keine Rechnungen mehr, stattdessen bekam ich Post in braunen Umschlägen. Die ersten drei ignorierte ich, bis ich in einem Anfall von Mut den vierten aufriss und las, dass ich wegen der Zahlungsrückstände einen Gerichtstermin hatte.
    In meiner Panik überlegte ich, ob ich jemanden bitten sollte, mir Geld zu leihen. Es gab nur wenige Menschen in meinem Umkreis, die einigermaßen solvent waren: Marga ret, meine Eltern, Claire und Artie. Aber Margarets Mann war gerade entlassen worden, und die Renten meiner Eltern waren gekürzt worden, sodass sie auch nur gerade eben über die Runden kamen. Claire gelang es, mit zahllosen finanziellen Bällen zu jonglieren, aber wenn man alle ihre Außenstände zusammenzählte, waren ihre Schulden möglicherweise größer als meine. Artie war finanziell wahrscheinlich abgesichert, aber das spielte keine Rolle, denn ich würde ihn nie um Geld bitten. Nein, in dieser Sache war ich allein auf mich gestellt.
    Obwohl ich mir nicht viel davon versprach, ging ich zu einer von der Regierung angebotenen Schuldnerberatung. Ein Mann mit Brille sagte mir in ziemlich vorwurfsvollem Ton, ich sei sehr töricht gewesen und meine Situation sei dramatisch. Dann fragte er mich, ob ich »Vermögenswerte« hätte, die ich verkaufen könnte.
    »Vermögenswerte?«, sagte ich. »Na klar, ich habe eine Jacht. Nur eine kleine, aber sie müsste schon so ein, zwei Millionen wert sein. Und ein Haus am Comer See. Würde das helfen?«
    Seine Miene hellte sich beträchtlich auf, dann verdüsterte sie sich schlagartig wieder. »Haha«, sagte er dumpf.
    »Ja, wirklich, haha«, sagte ich. »Meinen Sie nicht, wenn ich auf einem Haufen von Vermögenswerten säße, wäre es mir nicht eingefallen, sie zu verkaufen? Halten Sie mich etwa für einen Kretin?«
    »Bitte benutzen Sie keine diskriminierenden Wörter«, sagte er spröde.
    »Was? Sie meinen Kretin? Kretin ist nicht diskriminierend, Kretin ist ein medizinischer Fachbegriff.« Es gelang mir gerade noch, nicht voller Verachtung »Sie Kretin« hinzuzufügen.
    Jedenfalls versuchte ich, meine Überwachungsgeräte über eBay zu verkaufen, aber die Angebote waren so lachhaft, dass ich beschloss, die Dinger lieber zu behalten.
    »Ich rate Ihnen, an Ihre Gläubiger heranzutreten und anzubieten, Ihre Schulden in

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