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Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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denken, dass er mit seinem Schnurr bart und seinen braunen Augen zu den ganz Netten gehörte.
    Ich konnte mich bei Wayne genauso irren wie bei Stalin.
    Trotzdem kam ich zu dem Schluss, dass es sich lohnte, dem Gedanken nachzugehen, dass Wayne nicht aus freien Stücken verschwunden, sondern irgendwelchen üblen Typen in die Hände gefallen war.
    Einen Kontakt in die Welt der Kriminellen hatte ich: Harry Gilliam.
    Wir lernten uns vor ein paar Jahren kennen, als sein Assistent mich mit einem Fall beauftragte. Harry und ich waren am Ende ganz schön gebeutelt und geschlagen, in meinem Fall sogar buchstäblich. Ein Hund hatte mir in den Hintern gebissen, obwohl das nicht der Grund ist, warum ich Hunde hasse. Ich hasste sie schon vorher, zum Glück entstand also kein bleibendes Trauma.
    In gewisser Weise stand Harry in meiner Schuld, aber ich zögerte, ihn anzurufen. Ein Gefallen ist wie Geld, man kann ihn für Nichtigkeiten verschleudern. Man sollte sich also absolut sicher sein, dass man genau das bekommt, was man will. Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass Wayne es wert war.
    Ich wählte Harrys Nummer, und nach dem sechsten Klin geln sagte jemand: »Ja?«
    »Harry?«, sagte ich überrascht. Früher war er nie persönlich ans Telefon gegangen.
    Mit scharfer, verärgerter Stimme sagte er: »Sie wissen, dass Sie meinen Namen am Telefon nicht sagen dürfen.«
    »Das hatte ich vergessen, es ist so lange her.« Ich hätte eine scharfe Antwort geben können, aber es war keine gute Idee, ihn gegen mich aufzubringen. Ich hatte ihn zwar schon immer ein wenig lächerlich gefunden, aber wichtig war, dass er gute Verbindungen hatte. Und Zugang zu Informationen, die ich nirgendwo anders bekommen konnte. »Ich muss mit Ihnen sprechen. Nur ein, zwei Fragen.«
    Er besprach nie Geschäftliches am Telefon. Früher dachte ich, das sei überzogener Quatsch, aber seitdem ich mehr über das Abhören von Telefonen wusste, war mir klar, dass er recht hatte.
    »Kann ich vorbeikommen?«
    Im Kopf versuchte ich zu kalkulieren, wie lange die Befragung von Waynes Nachbarn dauern würde. Unmöglich, es einzuschätzen. Die unangenehme Wahrheit war, dass Gespräche mit Nachbarn – Nachbarn aller Art – normalerweise zu nichts führten. Entweder waren die Leute wie Automaten mit verschlossenen Gesichtern, wollten »nicht mit reingezogen werden« und knallten einem die Tür vor der Nase zu, oder aber, was viel schlimmer war, sie fanden es aufregend, an einem Fall beteiligt zu sein, und obwohl sie nichts Nützliches beizutragen hatten, verschwendeten sie viel Zeit mit unnützem Geschwätz und Mutmaßungen (»Könnte auch bei El Kaida sein. Ich meine, irgendwer muss ja dazugehören«).
    Besser, gleich mit Harry zu sprechen. Der Spatz in der Hand und so.
    »Kann ich gleich kommen?«, fragte ich.
    »Nein. Ich sage Ihnen Bescheid. Jemand ruft Sie an.«
    Nachdem er aufgelegt hatte, fühlte ich mich sehr, sehr schlecht. Ich stellte mich der Tatsache, dass Wayne vielleicht nie wiederkam, dass er womöglich tot war. Die meisten Polizisten sagen, wenn man eine verschwundene Person nicht innerhalb von achtundvierzig Stunden findet, kann man sie abschreiben. Natürlich meinten sie damit Menschen, die nicht freiwillig verschwunden waren, und Wayne versteckte sich vielleicht einfach irgendwo. Aber trotzdem.
    Um diese deprimierenden Gedanken zu zerstreuen, schaltete ich den Fernseher an, der auf einem der eleganten, maßgefertigten Borde in der Nische neben dem Kamin stand.
    Es war der reine Zufall, aber wer erschien da vor mir auf dem Bildschirm, sodass ich mich sofort gerade hinsetzte? Docker! Es war ein Bericht auf Sky News über ihn und Bono und ein paar andere berühmte Wohltäter, die im Namen einer darniederliegenden Nation eine Petition im Büro des Premierministers einreichten. Ich sah mir Docker ganz genau an. Er war so attraktiv und poliert und gut gebaut. Kaum zu glauben, dass er Ire war.

20
    D a fiel mir ein: Ich hatte immer noch nichts von John Joseph Hartley gehört, und jetzt ging es schon auf Mittag zu. Was steckte dahinter? Wollte er nicht, dass Wayne gefunden wurde?
    Ich schaltete die Nachrichten aus – in Waynes Haus den Fernseher laufen zu lassen fühlte sich ein bisschen wie eine Grenzüberschreitung an – und wählte John Josephs Nummer. Nach dem dritten Klingeln war er dran. »Hi, Helen.«
    »John Joseph? Was ist mit Birdie Salaman? Sie wollten mir ihre Nummer und so geben.«
    »Tut mir leid, Schätzchen, ich habe keine

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