Glücksfall
mir drinnen bin ich überzeugt, dass keine Frau wirklich Musik mag. Frauen, die Musik mögen, sind mir suspekt. Um ehrlich zu sein, ich glaube ihnen einfach nicht. Auf Konzerten rumhängen und über Gitarrenriffs und Basslines schwafeln – das machen sie doch nur, weil sie sich einen Mann angeln wollen. Und wenn sie sich dann einen geangelt haben, kriechen sie unters Bett, kra men ihr Michael-Bublé-Poster hervor, pusten den Staub weg, drücken einen dicken Kuss drauf und hängen es wieder an die Wand.
Ich ging durch den Flur. Die Sache war eilig, eilig, eilig, aber ich wollte Wayne erspüren . Meine Güte, die Küche, welche Schönheit, die Schränke in Unheil , die Wände in Frostbeule . Der Geschmack dieses Mannes war unfehlbar. Ein fach unfehlbar.
Zwar waren die Küchenstühle von Ikea, aber Wayne hatte eine gute Wahl getroffen, denn sie sahen so aus, als würden sie in dieses Holy-Basil-Wunderland gehören. Ich zog einen in den Flur hinaus, bis zur Haustür, und stellte mich darauf.
Einen Moment lang erfasste mich der mächtige Wunsch, ich möge vom Stuhl fallen und mir meinen Kopf so stoßen, dass ich ein Blutgerinnsel im Gehirn bekam und tot war, bevor jemandem auffiel, dass ich nicht da war – schließlich passieren die meisten Unfälle zu Hause. Das Zuhause der Menschen ist sehr, sehr gefährlich, draußen in der Welt ist man viel sicherer, soweit man hört, selbst wenn man aus Flugzeugen springt und im Auto kurvenreiche Strecken fährt. Aber ich war ein Pechvogel, ich würde mir einfach nur den Knöchel brechen und mit schrecklichen Schmerzen vier Tage in der Notaufnahme verbringen, wo ich um Schmerzmittel betteln müsste, aber zugunsten solcher Patienten übergangen würde, die das Glück hatten, sich mit dem Knethaken ihrer Brotmaschine die Zunge ausgerissen zu haben, und zu verbluten drohten.
Ich stand auf dem Stuhl und befestigte eine winzige Kamera an der Decke. Wenn ich winzig sage, meine ich winzig: Sie war nicht größer als ein Stecknadelkopf. Fast nicht zu sehen. Mit Bewegungsmelder. Köstlich! Falls also Wayne nach Hause kam, sagen wir, um sich frische Klamotten zu holen oder so, würde in dem Moment, da er durch die Tür kam, auf meinem Handy – ist das zu glauben? – eine Mitteilung erscheinen!
Es gab Zeiten – das ist gar nicht einmal so lange her –, da musste man, wenn ein Mensch vermisst wurde, tagelang im Auto vor dessen Haus sitzen und darauf hoffen, dass er irgendwann aufkreuzte. Und jetzt hat man dieses kleine Wunderding.
Dann ging ich aus dem Haus und brachte – ganz lässig, falls mich jemand sah – ein elektronisches Gerät an der Seite von Waynes Auto an. Denn wäre es nicht furchtbar peinlich, wenn Wayne, sollte er zurückkommen, sich mit seinem schönen schwarzen Alfa aus dem Staub machte, während ich nur wenige Meter entfernt war?
Wie die Kamera war auch der Peilsender ein winziges Gerät, das mit einem Magneten haftete. Und so funktionierte es: Sobald das Auto losfuhr, würde auch hier eine Mitteilung an mein Handy geschickt, und von da ab würde ich Waynes Bewegungen auf meinem Display verfolgen können.
Ich ging wieder ins Haus, und zehn Sekunden später piepte mein Handy und teilte mir mit, dass eine Person Waynes Haus betreten hatte. Sofort rauschte Adrenalin durch meine Adern, doch dann wurde mir klar, dass ich diese Person war und dass ich jedes Mal, wenn ich Waynes Haus betrat, den gleichen Text bekommen würde. Aber war doch gut – so wusste ich wenigstens, dass es funktionierte.
Überwachungstechnik, ich liebte sie wirklich – ständig wurden neue Erfindungen vorgestellt, und als Privatdetektivin musste man am Ball bleiben. Aber vor zwei Jahren, als die Rezession richtig einschnitt, konnte ich nicht mehr mithalten. Damals kam es mit zwei Firmen, die reichlich Knete hatten, zum Bruch, und ich verlor mehrere Aufträge. Und weniger Einkommen bedeutete weniger Geld, um neue Geräte anzuschaffen, was weniger Aufträge bedeutete – und schon geht es abwärts.
Kein Geld kam herein, nichts. Selbst als ich vor zweieinhalb Jahren krank war, hatte ich noch ein kleines Einkommen, weil ich bei ein paar Firmen auf der Gehaltsliste stand. Dann – über Nacht, so schien es mir – ging überhaupt nichts mehr. Ich hatte ohnehin schon alles zurückgefahren, hatte mein Büro aufgegeben, und als in dem Jahr meine Hausratsprämie fällig wurde, habe ich sie nicht bezahlt. Alles veränderte sich drastisch: Luxusausgaben für Friseur, Halstücher und teures Make-up
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