Glücksgriff
neben ihr leer. Draußen hörte man Lachen und jede Menge Aktivitäten. Kurz darauf wurde die Zeltklappe zurückgezogen, und Miles erschien – in roten Shorts, mit Legionärskäppi und schwarzer Sonnenbrille.
»Morgen, du Schöne. Frühstück.« Er warf Miranda ein schmelzendes Cornetto-Eis und eine Dose Lilt zu und ließ ein heißes, in Folie gewickeltes Päckchen in ihren Schoß fallen.
Verwirrt wickelte sie die Folie ab.
»Woher hast du Schinkensandwiches?«
»Ein Typ dort oben hat einen Grill und verkauft sie für einen Fünfer pro Stück.«
»Ich bin Vegetarierin«, sagte Miranda zu ihm und stürzte dann lachend nach vorne. »Nein, bin ich nicht«, rief sie, als er die Sandwiches über die Schulter und zum Zelt hinauswarf. Ein Schwall fröhlichen Gebells zeigte ihr unseliges Schicksal an.
»Fünfzig Pfund!«, jammerte Miranda.
»Das ist es wert, schau dir nur deinen Gesichtsausdruck an.« Miles küsste sie. »Und ich wusste, dass du keine Vegetarierin bist. Jetzt iss den Rest – bevor er schmilzt.«
Die frühe Morgensonne brannte bereits auf das Zelt. Mirandas Eis tropfte auf ihre nackten Beine, und der Hund draußen – ein munterer schokoladenbrauner Labrador – steckte die Nase durch die Zeltklappe, um zu sehen, ob sie noch mehr Schinkensandwiches hatten, die sie ihm zuwerfen könnten.
»Wenn du es nicht ausstehen kannst, Schlange zu stehen«, Miranda leckte sich hingebungsvoll die Finger, »musst du jede Sekunde hassen.«
»Wenn ich jede Minute hasste, wäre ich nicht hier.« Miles stützte sich auf die Ellbogen und betrachtete sie amüsiert. »In einem Zelt von der Größe und Temperatur einer durchschnittlichen Mikrowelle. Auf einem steinharten Bürgersteig. Vor dem All England Lawn Tennis Club, darauf wartend, dass sich die Tore öffnen, mit einem Mädchen, das sich das Haar lila und grün färbt und mich nicht mal zu sich in den Schlafsack lässt, für den Fall, dass wir aus Versehen in der Nacht Sex haben könnten, und das wie ein Holzfäller schnarcht …«
»O Gott! Habe ich wirklich geschnarcht?« Peinlich berührt bedeckte Miranda die Augen mit den Händen.
»Ha, jetzt machst du dir Sorgen.« Er grinste und schüttelte den Kopf. »Und nein. Ich hasse nicht jede Sekunde. Ich liebe es.«
Nachdem das Frühstück vorbei war, verkleidete sich Miles erneut, und zusammen bauten sie das Zelt ab. Miranda sagte ihm nicht, dass der einzige Grund, weshalb sie ihn nicht die Schlafsäcke hatte zusammenlegen lassen, der war, dass es so etwas wie eine zu große Versuchung gab. Nicht auf seiner Seite – auf ihrer.
»Kann mir nicht vorstellen, dass Daisy das macht«, murmelte Miles, als ihre Übernachtungssachen in Taschen verstaut waren.
Miranda, die es jedes Jahr machte, stellte fest: »Sie weiß nicht, was ihr entgeht.«
Er fuhr mit den Fingern durch ihr stachliges lila und grünes Haar.
»Wäscht sich das raus?«
Miranda bebte unter seiner Berührung – Himmel, und das war nur ihr Haar! – und nickte. »Ich nehme auch nicht an, dass Daisy das tun würde.«
»Sie würde es«, Miles’ Mund hob sich in den Winkeln, »wenn es für die Titelseite der
Vogue
wäre.« Er nahm ihre Hand und betrachtete ihre lilafarbenen und grünen Nägel. »Wenn du mir beim Rennen zusiehst, wirst du das für mich tun?«
Seine Mannschaftsfarben waren Orange und Ockergelb. Für eine betäubende Tausendstelsekunde stellte sich Miranda vor, wie sie, herausgeputzt wie eine Mandarine, auf und nieder hüpfte und Miles von den Boxen aus zujubelte, während er mit zehntausend Meilen in der Stunde seine Runden drehte. Dann stellte sie sich Daisy vor, in einem richtig kurzen Rock, wie sie auf dem Siegerpodest die Arme um ihn schlang, das blonde Haar zurückwarf und den Fotografen ihr blendendes Lächeln schenkte …
»Das ist doch noch Wochen hin.« Mirandas Ton klang weiter lässig. »Bis dahin wirst du es satt haben, in primitiven Verhältnissen zu leben.«
Miles neigte ihr sein Gesicht zu. Er senkte für eine Sekunde die dunklen Gläser.
»Vielleicht auch nicht.«
O Himmel, es war nicht leicht zu versuchen, realistisch zu sein, wenn man diesen smaragdgrünen Blick geschenkt bekam.
»Okay«, brachte Miranda schließlich heraus. »Vielleicht langweilst du mich ja bis dahin.«
»Was, wenn nicht?« Er verstummte. »Findest du, dass ich das tue? In primitiven Verhältnissen leben?«
»Schau, es ist egal. Ich erwarte nicht, dass …«
»Pssst.« Miles drückte einen Finger auf ihre Lippen. »Ich will das nicht
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