Glückskekse
Glück hat mich mein Begleiter noch rechtzeitig daran erinnert. Wäre doch schade gewesen, hätte ich sie hier liegen gelassen. Auch wenn ich nicht weiß, von wem sie ist.
Mit dem Porsche dauert es nicht lange und wir stehen vor meiner Haustür.
Eigentlich möchte ich ihn noch nicht verlassen, aber meine Müdigkeit lässt mir keine andere Wahl. Doch Gabriel scheint eine Lösung gegen das kleine Problem zu haben.
„Was hältst du denn davon, wenn wir beide uns morgen wieder treffen?“
Mit klopfendem Herzen stimme ich zu.
„Gut, dann bin ich morgen am späten Nachmittag bei dir. Schlaf schön, Leo, bis morgen dann.“
„Ja, bis morgen. Ich freu mich schon.“
Glücklich lächelnd stehe ich an der Tür und warte solange, bis ich von dem Wagen nichts mehr sehen und hören kann.
Fast täglich kommt Gabriel mich besuchen. Wobei, wenn ich so überlege, dann ist er eigentlich jeden Tag da. Meist kommt er so gegen fünf und bleibt dann bis halb zehn, weil er danach noch zum Tanzen geht.
Die ersten zwei Tage sind wir noch ziemlich umeinander rumgeeiert. Wussten beide nicht, wie wir uns verhalten sollen. Aber dann auf einmal war es so, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
Wir albern rum und haben Spaß, man könnte fast meinen, ich würde mit Nettie toben.
Wenn, ja wenn da nicht dieses ständige Herzklopfen und Bauchkribbeln wäre, wenn er mich anstrahlt oder mich gar berührt.
Wenn er da ist, machen wir erst einmal Hausaufgaben. Na ja, er macht seine und ich arbeite ein wenig am PC. Danach essen wir zu Abend. Entweder wir alleine oder, was öfter vorkommt, mit meinen Eltern zusammen. Dabei kommt es mir vor, als würden Ma und Pa ihn schon seit Ewigkeiten kennen. Bereits nach dem ersten Abend haben sie ihm das „Du“ angeboten.
Die drei verstehen sich prächtig und manchmal habe ich das Gefühl, überflüssig zu sein. Dann verkrieche ich mich in die Sofaecke und träume davon, wie es wäre, wenn Gabriel tatsächlich mein Partner wäre.
Wenn ich dann noch sein ansteckendes Lachen höre, schnürt sich mir die Kehle zu. Seit ich ihn kenne, schwebe ich ständig zwischen „Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt“ und habe mich zu einer richtigen kleinen Heulsuse entwickelt.
Damit keiner etwas von meinem Gefühlschaos mitkriegt, verkrümele ich mich leise auf mein Zimmer. Es ist halt nicht einfach, wenn man die Person, die man liebt, immer um sich hat, aber weiß, dass man nicht auf die gleiche Art und Weise zurückgeliebt wird. Manchmal wünsch ich mir meinen eiskalten Engel wieder. Da wusste ich wenigstens, woran ich bin.
Wenn ich dann nach solchen Aktionen auf meinem Bett sitze und lese, dauert es nicht lange und Gabriel gesellt sich zu mir. Setzt sich einfach zu mir und schnappt sich ebenfalls ein Buch. So sitzen wir den Rest des Abends da:
Seite an Seite lesend und kein Wort sprechend. Bis er gegen halb zehn seine Sachen packt. Dann setzt er sich noch einmal an meine Seite und sieht mich mit einem so warmen Blick an, dass sich mein Herz wieder einmal überschlägt.
Nimmt mein Gesicht in seine Hände und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.
„Schlaf gut, mein kleiner Leo“, flüstert er und geht.
Geht tanzen und was weiß ich nicht noch.
So geht es die ganze Zeit. Ich lebe eigentlich nur noch für die fünf Stunden am Tag, in denen Gabriel bei mir ist. Den Rest der Zeit verbringe ich mit warten. Warten darauf, dass es fünf Uhr wird und er endlich wieder erscheint.
Mir ist nicht bewusst, dass meine Freunde, aber besonders meine Eltern, die Lethargie, welche mich außerhalb besagter Zeit befällt, so extrem mitkriegen und anfangen, sich Sorgen zu machen.
Drei Tage vor unserem Abflug nach München nimmt Pa mich mittags beiseite.
„Wie geht es dir, Leo?“, fragt er und sieht mich besorgt an.
„Mir? Mir geht es bestens. Wieso?“
„Ganz ehrlich? Weil du nicht danach aussiehst. Den Jogginganzug sehe ich bestimmt schon seit sechs Tagen an dir, der läuft schon bald alleine. Deine Haare … und die Ringe unter deinen Augen, die fahle Haut schauen so aus, als hättest du die ganze Nacht durchgefeiert. Also, was ist los mit dir?“
Verlegen drehe ich mich weg. Er hat ja in allen Punkten recht. „Ich habe heute Nacht einfach schlecht geschlafen. Ich spring nachher gleich unter die Dusche und dann bin ich wieder fit.“
„Dusche wäre sicher gut. Und das mit dem schlecht schlafen … Leo, ich hör dich seit dem ersten Tag, an dem Gabriel hier war, die Nächte in deinem Zimmer
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