Glückskekssommer: Roman (German Edition)
läuft und eine Ladung Milchkaffee besorgt.
Und dann geschieht gleich noch das nächste Wunder.
Mandy, eines der Mädchen, das von mir einen kurzen rosa Jeansrock und eine Tunika aus weißer Seide (wir verbrauchen Margrets Sammlung kostbarer Sari-Stoffe, die sie in Indien gekauft, aber nie verwendet hat) angemessen bekommen hat, bringt ihre Mutter mit.
»Meine Tochter ist wie ausgewechselt, seit sie hier mitmacht«, sagt die attraktive Blonde begeistert. »Ich wollte mich mal bedanken.«
»Gern geschehen«, antworte ich lächelnd. »Es macht so viel Spaß.«
»Eine Nobelmodenschau mit Weddinger Mädchen«, sagt Margret. »Auf so eine Idee kann nur die Rosi kommen.«
»Ich, ähm, ich will nicht aufdringlich sein«, sagt Mandys Mutter. »Ich bin Kosmetikerin und Visagistin. Eigentlich ja Verkäuferin, aber ich habe noch mal eine Ausbildung gemacht und vor einem Jahr abgeschlossen. Bestimmt habt ihr schon jemanden für die Schminke?«
»Schickt dich der Himmel«, sagt Jola.
Ich frage mich, wann der Himmel wieder aufhört mit seinen Sendungen. Es ist mir nämlich langsam peinlich.
*
»Ich will auch helfen«, sagt Vicki, die gerade hereingekommen ist und uns einen großen Korb Mirabellen zur Stärkung mitgebracht hat. »Das Problem ist, ich habe mein Kleid zum Vorführen schon, und ich kann kein bisschen nähen.«
»Kannst du Knöpfe annähen?«, fragt Margret.
»Vermutlich«, sagt Vicki. »Ich mache alles. Hauptsache ich kann hierbleiben.«
Sie guckt sich mit glänzenden Augen um. Vor dem Spiegel dreht sich gerade Mandy. Ihre Mutter probiert mit zwei anderen Mädchen verschiedene Frisuren aus. Und vor der Tür übt Nelly mit ein paar anderen das Laufen in hohen Schuhen, ohne dabei blöd auszusehen. Sie haben sich einen Kreidestrich auf den Boden gemalt und stöckeln so ernsthaft auf der Linie entlang, als säße nicht ich, sondern Heidi Klum persönlich hinter der Fensterscheibe.
»Ich hocke allein in meinem Arbeitszimmer und hier tobt das Leben«, sagt Vicki. »Ich habe den falschen Beruf.«
»Du kannst auch hierbleiben, ohne zu arbeiten«, biete ich ihr an.
Eine mehr oder weniger – darauf kommt es jetzt nicht an.
Männer lassen sich eher selten blicken, außer Basti (der mir jeden Tag sagt, wie stolz er auf mich ist), Jens und Oskar (die uns Essen bringen, damit wir nicht verhungern) und Karl, der fast immer von seiner Tochter begleitet wird. Und dann ist da noch die kleine Fangemeinde meiner Models, die nicht in den Laden kommt, aber draußen am Kreide-Catwalk den Mädchen Beifall spendet.
»Hatte ich noch nie so eine wunderschöne Arbeitsplatz«, sagt Jola und schickt einen dankbaren Blick zum Himmel.
»Ich auch nicht«, sage ich.
Nebenbei stelle ich fest, dass ich seit Tagen keinen Glückskeks um Rat gefragt habe.
»Ich mache den Laden nicht zu«, sagt Margret und ballt die Faust. »Einen Teufel werde ich tun.«
Jola schüttelt den Kopf, verzichtet aber darauf, sich zu bekreuzigen.
»Ihr seid so klasse«, sagt Vicki lachend. »Ich will auch Schneiderin werden.«
*
Schnell wie der Wind sind die drei Wochen verflogen.
Heute ist der große Tag. Der Wedding wird sich für einen Abend in eine große Festmeile und der Platz vor dem ›Schraders‹ in einen Catwalk verwandeln.
Ich habe wenig geschlafen. Vicki, Daniel, Basti und ich haben bis in die Nacht hinein geschwatzt und gelacht und dabei zwei Flaschen Wein geleert. Vicki war mindestens so aufgeregt wie ich und konnte überhaupt nicht still sitzen, was mich rührte, aber auch ein wenig verwunderte. Daniel hielt, so gut es ging, ihre zapplige Hand. Laufend steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten. Irgendwann hatten sie mich angesteckt. Ich konnte plötzlich auch nicht mehr ruhig sitzen und unternahm deshalb mit Basti einen Spaziergang durch das nächtliche Schöneberg, bis mir die Füße wehtaten. Danach war ich endlich müde, kuschelte mich in Bastis Arme und schlief ein. Als ich aufwachte, war ich fix und alle.
Ich hatte geträumt. Und wie! Meine Modenschau verwandelte sich im Traum in ein einziges Desaster. Die Models trugen gar nicht meine Kleider, sondern hatten sich irgendwelche Säcke aus der Kleiderspende geholt. Die Zuschauer buhten und brüllten und zerlegten den Laufsteg in tausend Einzelteile. Margret wollte nie wieder etwas mit mir zu tun haben. War das ein böses Omen? Sollte ich vielleicht lieber im Bett bleiben?
Mir war ziemlich schnell klar, dass das nicht möglich war. Bei dieser Modenschau
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