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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Uhly
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gemacht, alles ist wie neu. Wenn das Geld vom Arbeitsamt kommt, wird er sich einen neuen Mantel kaufen und dieses alte, speckige Ding wegschmeißen. Vielleicht sollte ich den Fernseher auch loswerden, denkt er, aber er weiß, dass er dies nicht tun wird. Wenn ich nicht mehr fernsehe, was mache ich dann?, fragt er sich und hat darauf keine Antwort. So viele Jahre hat er damit verbracht, nicht zu leben, dass er gar nicht mehr weiß, wie das Gegenteil geht. Aber ich muss, denkt er und sieht zu Felizia hinüber, die auf einem Stapel frischer Wäsche liegt, der sich auf dem Tisch türmt. Schwerfällig erhebt Hans sich. Was er mit Schwung begonnen hat, muss er nun durchhalten. Das ist ihm schon immer schwergefallen, und Karin hat es ihm oft vorgeworfen. Er hebt das Kind hoch, trägt es ins Schlafzimmer. Dann kehrt er zurück und beginnt, die Wäsche zu verstauen. Vor ihm tut sich ein Tunnel auf, der in die Zukunft führt. Er ist voller Kleidung, Bettzeug und Handtücher, die regelmäßig gewaschen, getrocknet und verstaut werden müssen, voller Böden, die jede Woche geputzt sein wollen, voller Müll, der nichts in der Wohnung zu suchen hat, den er regelmäßig hinunterbringen muss, voller Teller, Tassen, Gabeln, Messer, Löffel, die sich nicht selbst spülen. Der Tunnel ist so voll von all diesen Dingen, dass kaum Licht in ihn dringt und Hans das Gefühl hat, er müsse darin ersticken. Er lässt alles fallen und eilt ins Schlafzimmer. Dort liegt Felizia, er schaut sie lange an und denkt: Es ist für sie, es ist für sie, es ist für sie, es ist für sie. Immer wieder denkt er es, damit es sich in sein träges Gehirn brennt und er es nicht wieder vergessen kann. Nach einer Weile hat Hans das Gefühl, dass es nun genügt. Langsam kehrt er zu seiner Wäsche zurück und verstaut sie. Für sie. Er geht in die Küche, setzt sich einen Kaffee auf, schneidet Brot ab, schmiert Butter darauf, legt Käse auf die Butter, nimmt einen Teller, geht ins Wohnzimmer, setzt sich mit dem Kaffee und dem Butterbrot an den Tisch, aber an eine andere Stelle, nicht vor den Fernseher, sondern so, dass er aus dem Fenster schauen kann, und frühstückt. Für sie. Er kaut das Brot und genießt den Geschmack, er ist intensiv, Draußen scheint ja die Sonne, denkt er, als hätte er es zuvor nicht bemerkt, aber das ist nicht wahr. Ich habe keine Übung darin, in der Gegenwart zu leben, denkt Hans und nimmt sich vor, es zu trainieren. Auch das wird er für sie tun, und jetzt ist er müde, er hat kaum geschlafen, deshalb kehrt er ins Schlafzimmer zurück und legt sich hin. Bald schlafen sie Seite an Seite, Hans und Felizia, er mit tiefen Atemzügen und leichtem Schnarchen, sie mit kurzen, schnaufenden Geräuschen.
    Es ist Nachmittag, als Hans durch ein Klingeln an der Haustür wach wird. Das ist schon so lange nicht mehr vorgekommen, dass er sich gar nicht mehr an das letzte Mal erinnert. Sogar das Geräusch seiner Klingel hatte er vergessen. Aber jetzt läutet es. Hans rappelt sich mühsam hoch, seine Knochen machen es ihm nicht leicht. Er schlurft zur Wohnungstür, schaut durch den Spion und sieht Herrn Wenzel, der ihn freundlich anlächelt. Hans öffnet die Tür. Das Lächeln verschwindet aus Herrn Wenzels Gesicht, er ruft aus: »Aber Hans, was hast denn du gemacht?«
    Hans macht: »Schsch«, und sagt: »Bitte leise, die Kleine schläft.« Er ist ein wenig verärgert über die Reaktion des anderen, obwohl er nicht genau weiß warum. Herr Wenzel hebt beschwichtigend die Hände, dann bückt er sich, ergreift eine Einkaufstasche aus Papier, die neben ihm gestanden hat, und kommt unaufgefordert herein. »Ich habe euch etwas mitgebracht, Hans, nur einpaar Kleinigkeiten, die ihr gut gebrauchen könnt.« Sie gehen in die Küche. Herr Wenzel sieht sich aufmerksam um. Dann sagt er: »Nimm es mir nicht übel, Hans, aber ich habe immer gedacht, bei dir zu Hause wäre es ...«, er zögert, Hans beendet den Satz: »... schmutzig.« Herr Wenzel stellt die Tüte auf den Tisch, dann dreht er sich zu Hans um – er muss sich ganz umdrehen, weil er seinen Hals nicht wenden kann – und lächelt ihn freundlich an: »Verzeih mir, Hans, manchmal trügt der Schein.« Hans ist gekränkt, weil Herr Wenzel ihn so verkannt hat, aber gleichzeitig sagt eine Stimme in seinem Kopf, dass das ja gar nicht wahr ist. Er fragt sich flüchtig, ob ihm das öfter passiert, aber Herr Wenzel beginnt, die Tüte auszupacken. Er zieht einen kleinen, weißen Winteranzug mit schwarzen Punkten

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