Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
ihre Luxuskarossen nebeneinander vor dem Hotel. Sowohl Parkplätze als auch Autos waren gemietet. Das Spiel war jeden Montag das gleiche, die Neuen wurden heiß gemacht auf den Job, und als Höhepunkt ging einer der Veranstalter ans Fenster und zeigte den Anwesenden die Autos: »Schau, da vorn stehen vier Porsche. Siehst du’s? Der vordere gehört dem Sepp. Dahinter steht der vom Franz. Der rote ist dem Gerhard seiner. Das sind alles deine Kollegen. Und dahinter steht meiner. Und wenn ihr heute unterschreibt, dann steht eurer auch bald daneben.«
In den Ohren des jungen Mannes klingelt es: Mach mit! Mach mit! Und er unterschreibt, denn er will ja geradeaus auf sein Ziel zumarschieren, und dieser neue Weg scheint viel gerader zu verlaufen als der letzte – der blöde Stressjob mit den vielen Problemen.
Er macht’s, der Anfang läuft blendend, und er bestellt sich schon bald seinen Porsche. Und überredet die Oma und die Tante, auch eine Lebensversicherung abzuschließen. Und den Cousin. Dann wird’s schon schwieriger. Aber der Porsche ist schon bestellt. Es dauert nicht lange, da sieht der Weg ziemlich ähnlich steinig aus wie damals bei der Unternehmensberatung. Als auch schon die nächste vielversprechende Abzweigung auftaucht …
Das ist die erste der drei Möglichkeiten: Viele verbringen ihr ganzes Leben damit, sich von den Sonderangeboten des Lebens ständig vom Pfad abbringen zu lassen – im Glauben, dabei eigentlich nur immer weiter ihr Ziel zu verfolgen. In Wahrheit fangen sie aber wieder und wieder nur von vorn an und scheuen sich, die Probleme zu lösen, die Widrigkeiten auszuhalten, sich durchzubeißen. Sie bleiben Anfänger.
Die größten Chancenfresser sind die Chancen selbst. Der Anruf eines Headhunters ist meistens auch nur ein Sonderangebot des Lebens. So ein Anruf schmeichelt kolossal der Seele: Oh, da muss ich wichtig sein, wenn ich so gesucht werde! – Wenn Sie schon einmal einen Anruf von einem Headhunter bekommen haben, erinnern Sie sich doch gerade bitte einmal, wie sich das angefühlt hat. Und wenn Sie noch keinen bekommen haben: Das hässlichste auf der Welt ist so ein Anruf in unserer Vorstellung nicht, oder? Seien Sie ehrlich!
|83| Ich habe noch keinen bekommen, denn ich war noch nie im Leben angestellt, und diese Köderausleger und Wegabbringer rufen bei Selbstständigen und Unternehmern nicht an – da sind ihre Chancen zu gering.
Ich hätte mal gern ein Problem!
Verstehen Sie mich bitte richtig: Selbstverständlich kann es sinnvoll sein, den Job zu wechseln, sich vom Partner zu trennen oder auszuwandern. Manchmal bedeutet gerade das den nächsten Schritt auf dem eigenen Weg. Manchmal ist das so eine Art Straßenverbreiterung, eine synergetische Ergänzung. Und manchmal ist es wirklich ein Ausweg, weil wir in der Sackgasse stecken und berechtigterweise unglücklich sind.
Aber meistens ist das gar nicht der Fall. Meistens sind es schlicht die Probleme, vor denen wir zurückschrecken. Wir suchen den leichteren Weg. Den Weg ohne Probleme. Das aber ist immer ein Trugschluss: Es gibt keinen leichteren Weg ohne Probleme. Wir bekommen unser Problem dann nur etwas später in einem anderen Gewand erneut vor die Nase gesetzt.
Davor sitzen bleiben ist aber auch keine Lösung. Das wäre die Möglichkeit Nummer zwei. Auch damit verbringen viele Menschen ihr ganzes Leben. Sie kapitulieren, stagnieren, fügen sich drein, sitzen ihre Restzeit ab. Ob es aber immer nur dasselbe Problem ist, das einen Menschen in seinem persönlichen Wachstum stagnieren lässt oder nur ein gleiches in neuem Gewand, ist letztlich egal. Erstarrung oder Flucht, beides bringt unterm Strich keinen Fortschritt. Da gibt es für die ewig suchenden, aber eigentlich ewig fliehenden Sonderangebotskäufer keinen Grund für Überheblichkeit gegenüber den Untoten unter uns – Problemlösungsverweigerer sind beide.
Das Problem ist, dass wir Probleme im Allgemeinen für etwas Schlechtes halten.
Nein, das Problem ist, dass wir Probleme im Allgemeinen für etwas Schlechtes halten. Etwas, das umgangen oder vermieden werden muss. Das |84| ist aber der falsche Umgang damit, denn sonst müsste es nicht Problem, sondern Anti-blem heißen. Das Wort »Problem« stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet »das, was [zur Lösung] vorgelegt wurde«. Also eine Aufgabe. Ja, die Lösung der Aufgabe ist mit Schwierigkeiten verbunden, sie ist ein echtes Hindernis, das überwunden werden muss, um von einer unbefriedigenden
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