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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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hat genug Schokolade zum reduzierten Preis gekauft, um mit der Ersparnis gegenüber dem regulären Preis die Opportunitätskosten aufzuwiegen, die bei dieser Einkaufstour entstanden sind. Opportunitätskosten, das sind hier die zusätzlichen Minuten in Euro umgerechnet |80| plus die zusätzlichen Benzinkosten plus die Zinskosten für das im Schokoladenvorrat gebundene Kapital, also in Summe die versteckten Kosten, die so nebenbei entstehen.
    Das müssen Sie sich mal klarmachen: Wir sind offenbar so gepolt, dass wir sehr leicht dafür zu haben sind, 50 Cent zum Preis für 1 Euro zu kaufen, wenn die Umstände des schlechten Geschäfts nur ein wenig verlockend gestaltet und die Kosten ein wenig versteckt sind.
    Im Kleinen fällt es uns noch leicht, solche Fallen zu erkennen. Wir ertappen uns dabei, uns im Zeichen der Sparsamkeit unwirtschaftlich zu verhalten, und lächeln über uns selbst. In komplexen Situationen erkennen wir solche Scheingelegenheiten kaum noch, vor allem, wenn es nicht um Gurken zu 50 Cent oder Schokolade zu 60 Cent geht, sondern um den neuen Job, den neuen Partner, die neue Lebenschance. Da wird es dann ernst, kein Grund mehr, über uns zu lächeln, aber auch da fallen wir auf die Sonderangebote des Lebens herein und verlassen unseren Pfad, um einem neuen zu folgen, der scheinbar attraktiver ist. Der leichter zu begehen scheint, der weniger Umstände verspricht, der so aussieht, als würde er schneller zum Ziel führen: Ist das meine große Chance, die ich auf keinen Fall vergeben darf? Ist das der beste Partner, der mir im Leben über den Weg laufen wird? Ist das das Geschäft meines Lebens? Bringt dieser Job endlich meinen Durchbruch?
    Das Blöde daran ist: Die Sonderangebote des Lebens sind Wege, die auf den ersten Metern bis zur ersten Biegung viel versprechen, alles Weitere aber liegt im Dunkeln, sie sind prinzipiell zukunftsoffen, ihre schlechte Bilanz lässt sich nicht nachweisen und aufrechnen wie der Tausch Gurkenpreis-Nachlass gegen Benzinpreis-Aufschlag. Trotzdem sind die Sonderangebote des Lebens genauso oft schlechte Geschäfte wie die Sonderangebote im Supermarkt. – Woran liegt das eigentlich? Und warum fallen wir trotzdem darauf herein, manche immer wieder aufs Neue, ein ganzes Leben lang? Und woran nur soll ich erkennen, ob ein Weg ein Sonderangebot des Lebens ist oder eine echte Chance? Woher soll ich wissen, ob ich mit meinen Lebensentscheidungen richtig liege?
    |81| Das Versprechen
    Wer sich ein Ziel setzt, tut gut daran, den direkten Weg zu wählen, also auf der kürzesten Verbindung drauf zuzumarschieren. Das Leben ist aber so gestrickt, dass kurz darauf schon der erste Felsbrocken im Weg liegt. Und dann gibt es drei Möglichkeiten.
    Das Leben ist aber so gestrickt, dass kurz darauf schon der erste Felsbrocken im Weg liegt. Und dann gibt es drei Möglichkeiten.
    Da gibt es zum Beispiel den jungen Mann, der kurz nach dem Studium einen Job in einer Unternehmensberatung angenommen hat. Sein nur so halb bewusstes Ziel: Gehalt, Status, Luxus, Frauen beeindrucken. Ein ganz normaler Mann eben. Ihre Ziele mögen andere sein, das Prinzip ist dasselbe.
    Wie sich herausstellt, liegen auf dem Weg, den er eingeschlagen hat, alle paar Kilometer dicke Probleme, die gelöst werden wollen: Der Chef wechselt und der neue ist so gar nicht sein Fall. Die Konkurrenz mit den anderen Juniorberatern ist mörderisch. Die vielen Übernachtungen außerhalb und die vielen Autobahnkilometer gehen an die Substanz. Der wichtigste Kunde ist plötzlich zickig geworden. Und die Freundin nörgelt, dass er zu wenig Zeit für sie übrig hat. Die Problemqualität steigt. Ist das nun ein Zeichen dafür, dass er auf dem falschen Weg ist? Oder ist es ein Zeichen dafür, dass der Weg genau der richtige ist?
    Jedenfalls: Immer, wenn wir geradeaus aufs Ziel zugehen und der Weg beschwerlicher wird, stehen links und rechts die Angebotsschilder: Dieser Weg ist besser! Hier geht’s lang, hier geht’s schneller! Komm, nimm die Abzweigung, dann kommst du leichter ans Ziel! Abzweigungen gibt’s in jeder Stadt. Beispielsweise hört der junge Mann von diesem Finanzdienstleister, der attraktive Vertriebsjobs anbietet. Die Abzweigung brüllt: Komm zu mir!
    Lange Zeit habe ich in München im Marriott-Hotel Seminare gegeben, jeden Montag. Spannend dabei war der Nebenraum, in dem immer ein Unternehmen Veranstaltungen durchgeführt hat, um neue Vertriebsmitarbeiter zu finden. Schon im Vorfeld parkten die |82| Menschenakquisiteure

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