Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

können.
    Die besten Chefs bereiten ihren Mitarbeitern Probleme.
    Das gilt auch für Individuen. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass die besten Mitarbeiter diejenigen werden, denen am Anfang viele Steine in den Weg gelegt wurden. Die besten Chefs bereiten ihren Mitarbeitern Probleme. Den besten Mitarbeitern die größten Probleme, immer schön dosiert, mit ansteigender Tendenz. Gute Mentoren machen ihre Schützlinge fast fertig. Aber nur fast! Das ist echte Persönlichkeitsentwicklung.
    Meinen Lieblingscoach habe ich einmal gefragt: »Wie kann ich die Probleme meiner Mitarbeiter lösen und ihnen den Einstieg erleichtern?«
    Er sagte: »Nie, indem du ihre Probleme löst. Du darfst als Chef niemals den Menschen die Steine aus dem Weg räumen! Das wäre extrem unfair, denn dann sind sie in kürzester Zeit nicht mehr in der Lage, die Probleme selbst zu lösen. Sie stagnieren – und hören auf, ihr Potenzial auszuschöpfen.«
    Vielleicht geht es Ihnen jetzt auch so wie mir, dass Sie jedes Mal zusammenzucken, wenn die allzu häufige Wendung »Kein Problem!« fällt. Unser größtes Problem ist nämlich, ständig keine Probleme zu haben. Oder so zu tun, als hätten wir keine. Deshalb ist auch der Spruch vom halbvollen oder halbleeren Glas bei uns so beliebt: Alle behaupten, man müsse das Glas als halbvoll betrachten. Ich halte das für Quatsch, denn wer kommt auf die Idee, bei einem halbvollen Glas nachzuschenken? Wenn wir das Glas bereits als halb geleert betrachten, erkennen wir das Problem, greifen zur Flasche und machen es wieder voll.
    Das geht natürlich nicht immer. Jedenfalls, wenn wir ein Problem haben, können wir zwei Dinge dazu ändern: entweder die Situation, in der wir das Problem haben oder die Einstellung dazu. Beides kann |87| das Problem lösen. In der Regel lassen sich selten die Situationen ändern, aber die Einstellung immer. Dale Carnegie hat seinen Lesern in seinem Weltbestseller
Sorge dich nicht – lebe
30 konkrete Empfehlungen gegeben. Nur neun davon beziehen sich auf die Änderung der Situation, in der das Problem besteht. 21 Empfehlungen beziehen sich auf die Änderung der Einstellung.
    Den Kern der richtigen Einstellung zu Problemen bringt das berühmte »Gelassenheitsgebet« auf den Punkt, das der US-amerikanische Theologe Reinhold Niebuhr in den 1940er Jahren dichtete: »Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.«
    Das System der ewigen Anfänger
    Ein Leben lang suchend, ein Leben lang frustriert, ein Leben lang enttäuscht, und das auch noch auf Anfängerniveau!
    Bei jeder Abzweigung beginnt die Straße von vorn. Wer Probleme nicht schätzen gelernt hat und vor ihnen davonläuft, bleibt prinzipiell ein ewiger Anfänger, erreicht niemals einen höheren Grad der Problemlösungskompetenz. Schauen Sie sich um, und Sie sehen einen großen Teil der Menschheit ziellos herumrennen, sie verlassen ständig die Zielgerade, orientieren sich ständig neu. Sie nennen das dann Flexibilität. Oder Sinnsuche. Oder Neuorientierung. Das klingt heutzutage zeitgemäß. Dabei drehen sie nur ständig den Kopf, wenn jemand pfeift. Ein Leben lang suchend, ein Leben lang frustriert, ein Leben lang enttäuscht, und das auch noch auf Anfängerniveau!
    Durchhaltevermögen ist der Schlüssel. Aber doch nicht Durchhaltevermögen auf der Anfängerspur! Daraus resultiert nur dauerhafte Resignation, und das Selbstwertgefühl schrumpft von Enttäuschung zu Enttäuschung. Recht schnell glauben die ewigen Anfänger, dass sie es ja gar nicht wert sind, das große Ziel zu erreichen. Ihr Leben scheint den mehrfachen Beweis dafür zu liefern. Es scheint |88| einfach keinen Weg zum Ziel für sie zu geben, denn kaum hat man mal ein wenig Oberwasser, kommt schon das Leben mit dem nächsten Nackenschlag! Sagen sie. Anstatt für jedes Problem dankbar zu sein und die Ärmel hochzukrempeln.
    Ich vermute, dass viele die Anfängerspur insgeheim tatsächlich gar nie verlassen wollen. Denn auf ihr können Sie keine schweren Fehler machen. Die großen Böcke werden im unbekannten Terrain geschossen. Wer immer, wenn es schwierig wird, den dunklen Hinterausgang benutzt, während er sich einredet, das wäre jetzt das goldene Portal zum Paradies, der muss tatsächlich nie einen großen Preis im Leben bezahlen. Der amerikanische Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek hat gesagt: »Wenn du keine