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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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dem Moment beginnt zu schmelzen, in dem er den Boden berührt. Aber deshalb ist |180| es doch Schnee, genauso wie der Schnee, der vor einem Jahr gefallen und seitdem siebenmal gefroren war und zwischendurch immer wieder von der Sonne angetaut worden ist. Wir finden die vielen Schneesorten kompliziert zu beschreiben und wären deshalb in dieser Welt überfordert.
    Umgekehrt kann sich ein Inuit nicht im Ansatz vorstellen, wie wir unsere Welt sehen. Der deutsche Wortschatz fließt an Worten für Gewässer nur so über. Wir können mit Pfuhl, See, Tümpel, Weiher, Teich, Lache, Bodden, Brack von der Ostsee bis zu der Pfütze im Schlagloch vor der Haustür jeden Tropfen bildhaft und kraftvoll beschreiben. Wir sehen, denken und sprechen nicht nur von Baum und Bäumen, sondern von Hain, Tann, Forst, Busch, Hag, Dschungel, Dickicht, Au, Bruch, Regenwald, Nadelwald, Mischwald, Bergwald, wir wissen wie ein Waldrand aussieht und was eine Lichtung ist. Erklären Sie mal einem, der noch nie einen Baum gesehen hat, wie es sich anfühlt, auf einer Waldlichtung zu stehen!
    All diese Feinheiten könnte ein Inuit durchaus beschreiben, aber er bräuchte viele Wörter, um es zu umschreiben, und er empfände unsere Welt als ziemlich komplex, im Gegensatz zu seiner vertrauten einfachen Schnee-und-Eis-Welt.
    Was heißt das nun für den, der jammert, dass unsere Welt so komplex geworden sei? Doch eigentlich nur, dass er sich noch nicht so gründlich damit auseinander gesetzt hat, dass er noch nicht seine Sprache gefunden hat, um diese Welt treffend zu beschreiben. Wem die Welt, in der unsere Kinder wie die Fische im Wasser schwimmen, während sie facebooken, bloggen, simsen, egosurfen und hartzen und es BTW voll porno finden, sich mit Cyberstalking den Denkmuskel zu beschlauen ohne crackberry zu gehen, wem diese Welt zu komplex ist, der muss schlicht Vokabeln lernen!
    Für mich hat der, dem die Welt zu komplex ist, einfach seinen Fokus noch nicht scharf genug eingestellt.
    Es gibt Stimmen, die sagen, eine komplexe Welt erfordere komplexe Lösungen. Sie sagen, Komplexität lasse sich nicht reduzieren. Was gehe: Kompliziertes vereinfachen. Aber nicht Komplexität simplifizieren. Nun, mir ist diese Unterscheidung |181| bereits zu kompliziert. Ob komplex oder kompliziert – für mich hat der, dem die Welt zu komplex ist, einfach seinen Fokus noch nicht scharf genug eingestellt.
    Kann es sein, dass es so komplex gar nicht ist, wenn ich mir einfach die Dinge einzeln vornehme? Wenn ich aus dem Wald einfach Baum-Baum-Baum mache? Komplexität bedeutet doch nur, dass die Dinge, die sich mir zeigen, sowohl zu vielschichtig als auch schlichtweg zu viel sind, als dass ich sie auf einen Schlag erfassen könnte. Die Überforderung, unter der offenbar immer mehr Menschen leiden, ist für mich ein Zeichen dafür, dass die Menschen ihre Sichtweise nicht ihren Fähigkeiten angepasst haben.
    Ich kenne eine Trainerin, die ist weiß Gott begnadet. Sie ist dermaßen gut darin, Menschen in ihren Fähigkeiten besser zu machen, dass es eine wahre Freude ist, ihr bei der Arbeit zuzusehen. Sie kann sich vor Aufträgen nicht retten, sie berät Unternehmen weltweit, aber – sie sieht sich nicht als erfolgreich. Und sie ist es in der Tat nicht, jedenfalls nicht gemessen an ihren Fähigkeiten. Ihr Preis ist nicht hoch genug. Sie ist nicht so aufgestellt, dass sie ihr Toptalent wirklich auf die Straße bringt. Sie ist nicht so bekannt, wie sie sein könnte. Sie schafft den Durchbruch nicht. Andere, die weit schlechter sind als Trainer, sind deutlich erfolgreicher als sie. Woran liegt es?
    So gut sie die Eins-zu-eins-Situation mit einem Trainee einschätzen kann, so gut sie das Potenzial des Individuums, das vor ihr steht, taxieren und wecken kann, so schlecht ist sie darin, das, was sie tut, in ein großes Bild zu fassen und angemessen zu beschreiben. Ganz hart könnte ich sagen: Eigentlich weiß sie nicht, was sie tut – jedenfalls kann sie es nicht beschreiben. Sie spürt, dass sie gut ist, aber sie weiß in der Gesamtheit nicht, worin. Und schon gar nicht kann sie sich ein Szenario ausmalen, in dem sie im Zentrum steht und sich so organisiert und vermarktet, dass sie genau das tut, was sie am besten kann. Sie ist die Baum-Spezialistin, die den Wald nicht sehen kann vor lauter Bäumen.
    Und dann kenne ich da einen, der ist genau der Gegentypus: Ein Immobilienmakler. Er hat eine starke Vision, er will als Makler so richtig groß werden. Er kann den Markt sehr genau

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