Glueckskinder
sind sogar hoffnungslos. Um hier schnell und wirkungsvoll eine Hilfe zu bieten, unterstützen wir sie dabei, salopp gesagt, ihre Dateien besser zu ordnen.
Heilung bedeutet immer auch, sich dem Glück wieder ein Stückchen anzunähern und es wiederzufinden, also Perlenketten in positiven Zusammensetzungen neu aufzufädeln, um in unserem Bild zu bleiben. Dabei erleben wir häufig, dass oftmals kleine Kurskorrekturen eine große Wirkung im Glücksempfinden, aber auch in einer Heilung generell haben können. Das folgende Beispiel kann uns dies vielleicht verdeutlichen:
Eines Tages arbeitete ich mit einer Patientin, die sich für eine »schlechte Mutter« hielt. Das war natürlich nur ihre subjektive Wahrnehmung. Doch sie quälte sich mit einem schlechten Gewissen ihrem Kind gegenüber. Sie hatte große Angst, wie ihre eigene Mutter zu sein, die sie für schlecht hielt. Um jeden Preis wollte sie vermeiden, dass sich ihr eigenes Kind in derselben unglücklichen Situation befand wie sie damals.
Ich schlug ihr eine Entspannungstherapie vor, und sie willigte ein. Ich bat sie, eine Situation zu erinnern, in der sie, aus ihrer Sicht, gemein zu ihrer Tochter war. Eine Erinnerung stellte sich sofort ein: Ihrer Tochter war eine Tasse heruntergefallen, und anstatt sie zu trösten und ihr zu sagen, dass das jedem einmal passieren kann, hatte meine Patientin schon mit ihr geschimpft. Anschließend war sie weinend ins Bad gelaufen, weil sie sich wegen ihrer unkontrollierten Reaktion ihrer Tochter gegenüber schämte.
Ich bat sie, mir ihr Gefühl zu beschreiben. »Ich bin so wütend auf mich«, antwortete sie mir. Ich fragte sie, wonach ihr nun sei, was sie gerne tun wolle. »Ich möchte mich am liebsten selbst ohrfeigen«, sagte sie. Wir taten genau dies – in ihrer Fantasie verpasste sie sich eine heftige Ohrfeige. Ich wartete ab und fragte dann erneut nach ihrem Gefühl. »Die Wut ist nicht mehr so stark«, meinte sie. »Doch ich verspüre immer noch so viele Aggressionen, dass ich weiterschlagen möchte. Eigentlich möchte ich jetzt meiner Mutter eine reinhauen, denn von ihr habe ich diesen Mist ja schließlich.« Also verprügelte sie nun ihre Mutter – natürlich nur in ihrer Vorstellung, aber dort sehr ausgiebig. Sie stand nun gewissermaßen auf einer Theaterbühne ihrer inneren Welt, in ihrem Privatkino, und mit jedem Schlag, den sie verteilte, schien sie befreiter zu sein, wobei ihre Wut etwas nachließ. Ich war von der Intensität ihrer Gefühle beeindruckt, während ich an den Satz denken musste: »Alles, was draußen ist, kann innen keinen Schaden mehr anrichten.« Als sie fertig war, war ihre Wut verschwunden und sie selbst wirkte sehr erschöpft. »Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte ich erneut. »Einsam«, antwortete sie mir, »sehr einsam. Ich schäme mich, meine Mutter so heftig geschlagen zu haben. Andererseits tat es gut, mich abreagieren zu können. Doch nun fühle ich mich, als sei ich ein kleines Kind und unglaublich weit entfernt von meiner Mama.« – »Hast du Sehnsucht nach deiner Mama?«, fragte ich. Sie nickte. »Möchtest du auf ihren Arm?«, fügte ich hinzu. Wieder nickte sie.
Ich wartete ab. Als sie sich in ihrer Fantasie in den Armen ihrer Mutter befand, begann sie zu weinen. Es waren aber keine Tränen der Erleichterung, wie ich erwartet hätte, sondern Tränen der Verzweiflung. Sie hätte gern Liebe oder Schutz in den Armen ihrer Mutter gespürt, doch da war nichts. »Gut«, sagte ich, »dann geh zu ganz frühen Zeitpunkten in deinem Leben zurück, suche in deinen Erinnerungen nach Situationen, in denen du Liebe von deiner Mutter bekommen hast.«
Meine Patientin machte sich nun auf eine erstaunliche Reise. Es war, als würde sie nun Perle für Perle einer Kette »auffädeln« und sie nacheinander erleben. Sie erlebte sich als Kleinkind, als Baby, ja sogar als Neugeborenes. Mit jeder weiteren Erinnerung konnte sie ein wenig mehr die Liebe ihrer Mutter spüren, doch aus ihrer Sicht war dies für eine Mutterliebe ein viel zu schwaches Signal. »Da müsste viel mehr sein«, sagte sie. Da sie selbst Mutter war, hatte sie ihre eigenen Maßstäbe. Sie suchte also weiter, wobei sie spürte, wie die Liebe immer größer wurde, je weiter sie in die Vergangenheit reiste.
Sie erlebte sich im Bauch ihrer Mutter, als diese mit ihr schwanger ging. Auch hier war sie nicht so recht zufrieden. Sie empfand zwar ein Gefühl des Beschütztseins, doch dies genügte ihr nicht. Sie suchte weiter und wurde
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