Glücksklee
schon verstanden. Und das Gefühl, hintergangen worden zu sein, war sofort wieder da. «Du bist mit Emer hier in Dublin gewesen?»
Deirdre klang bestürzt. «Wir wollten dich ja fragen, ob du dich mit uns treffen willst, aber –»
«Ach, macht doch nichts», sagte Jess schnell, aber es tat weh. Früher hatten sie und ihre Freundinnen alles zusammen gemacht. Ja, ursprünglich hatten Deirdre und Emer sich sogar über Jess kennengelernt. Aber wenn die beiden jetzt zum Einkaufen nach Dublin kamen, machten sie sich nicht mal mehr die Mühe, Jess mit einzubeziehen.
«Ehrlich, wir hatten nicht gedacht, dass du an so was Interesse hast, und wir wissen doch, wie gerne du Schuhe anprobierst und dich beraten lässt und so …» Deirdre verstummte, als wolle sie andeuten, dass solche Ausflüge für Jess viel zu anstrengend seien. «Und wir hatten natürlich auch die Kinder dabei. Wenn man daran nicht gewöhnt ist, kann das ganz schön nervig sein, deshalb …»
Während Jess ihrer Freundin zuhörte, fragte sie sich, wann genau es zu einer Unterscheidung zwischen «wir» und «du» gekommen war. Doch eigentlich kannte sie den Zeitpunkt ganz genau und, was noch wichtiger war, auch den Grund. Sie wurde ausgeschlossen, weil sie ihre Gebärmutter nicht benutzt hatte und nicht diesem netten kleinen Club beigetreten war, dem die beiden jetzt angehörten.
Jess ihrerseits hatte ihre Freundinnen nie vernachlässigt. Ihr wäre es nicht im Traum eingefallen, Emer und Deirdre von ihren Vorhaben auszuschließen. Wenn Brian und sie eine Party gaben, hatte sie immer alle eingeladen, ganz unabhängig von ihren familiären Verhältnissen.
Ach du liebe Zeit, dachte Jess, denn ihr fiel etwas ein: Die beiden waren mit ihren Männern in letzter Zeit überhaupt nicht mehr zu den Dinnerpartys gekommen, die sie mit Brian veranstaltete. Fanden sie die Interessen eines kinderlosen Paares etwa unbedeutend?
«Dann ist das wohl auch der Grund, warum ihr uns nicht mehr besucht», sagte sie leise.
«Wie bitte? Nein, wir versuchen immer zu kommen und wenn wir nicht können, liegt das nur daran, dass wir keinen Babysitter finden. Na komm, Jess, jetzt sei bitte nicht so.»
«Tut mir leid … ich verstehe einfach nicht, warum …» Inzwischen fühlte Jess sich wirklich verletzt und traurig. Aus Angst, sie könnte etwas sagen, was sie später bereuen würde, verabschiedete sie sich unter einem Vorwand von Deirdre und sagte, sie würde später noch mal anrufen.
Jess fühlte sich plötzlich furchtbar einsam. Sie streckte sich auf dem Bett aus, schloss die Augen und versuchte, nicht mehr zu grübeln.
«Kleines, bist du da?»
Jess blinzelte in die Dunkelheit des frühen Abends. Ein Geräusch von unten hatte sie geweckt. Brian war nach Hause gekommen. Sie hörte seine Schritte auf der Treppe.
«Hier im Schlafzimmer!»
Die Tür öffnete sich, und ihr Mann trat ein. Jess konnte nicht anders, sie musste lächeln. Obwohl er nach dem Flug offensichtlich müde war, sah er so gut aus wie immer. Er war groß, über eins achtzig, hatte dunkles Haar und schokoladenbraune Augen. Und diesen scharfen Augen entging nichts, ob er nun müde war oder nicht.
«Na, meine Schöne», begrüßte Brian sie, doch als er ihr trauriges Gesicht und das strubblige Haar sah, runzelte er die Stirn. «Was ist denn los? Geht’s dir nicht gut?»
«Doch, doch», log Jess, weil sie ihr Wiedersehen nicht verderben wollte. Sie stand auf, um ihn in die Arme zu nehmen. «Wie war es denn in Singapur?»
Brian legte den Kopf schräg. «Du siehst aber nicht gut aus, finde ich. Was ist denn passiert?»
Der besorgte Blick ihres Mannes führte bei Jess zu einer neuen Welle der Verzweiflung. Stockend erzählte sie ihm die ganze Geschichte. Geduldig hörte Brian ihren Bericht an.
«Ich … Ich kann es einfach nicht fassen», stammelte sie. «Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, erkenne ich, dass es schon eine ganze Weile so läuft, Brian. Ich hätte nie gedacht, dass wir mal ausgeschlossen werden, bloß weil wir keine Kinder haben. Ich meine, bald reden sie nicht mehr mit uns, bald wollen sie uns gar nicht mehr um sich haben, damit wir sie nicht mit unserer … Banalität anstecken!»
Brian sah aus, als bemühe er sich, ernst zu bleiben. «Meine kleine Drama-Queen», neckte er Jess. «Weißt du, du musst versuchen, die Sache ganz pragmatisch zu sehen, statt wie üblich deine Phantasie mit dir durchgehen zu lassen.»
Jess schaute ihn an. Er zog sie oft mit ihrer angeblich lebhaften
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