Glücksklee

immer schaffte, wie aus dem Ei gepellt auszusehen. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie in einem Privatjet flog, Schlaf kriegte, weil sich darin ein Bett befand, und duschen und sich umziehen konnte. Ruth hatte diese Möglichkeiten nicht, und dass sie den größten Teil des Fluges verkatert gewesen war, half auch nicht gerade. Außerdem war Gwyneth wahrscheinlich auch nie ohne ein Team von Stylistinnen unterwegs. Plötzlich bereute Ruth, dass sie Chloe nicht mitgenommen hatte. Sie vermisste nicht nur die ständigen Schmeicheleien ihrer Assistentin, sondern auch ihre organisatorischen Fähigkeiten und ihr Können als PR -Managerin. Ruth wusste zwar, dass ein Fahrer sie vom Flughafen abholen würde, aber das war einfach nicht das Gleiche.
    Die Stewardessen bereiteten sich darauf vor, die Türen zu öffnen, und Ruth suchte ihre Sachen zusammen. In dem kleinen Spiegel ihrer Kompaktpuderdose überprüfte sie noch einmal ihr Make-up und vergewisserte sich, dass sie den Lippenstift nicht zu dick aufgetragen hatte. Ihre Tränensäcke waren wirklich nicht zu übersehen. So ein Mist! Ruth steckte sich ein Kaugummi in den Mund und kaute wild darauf herum, um die gefürchtete Fahne loszuwerden. Ekelhaft! Ach, aber in diesem Moment war ihr die triumphale Heimkehr scheißegal, sie wollte nur noch ins nächste Hotelzimmer und ein paar Tage schlafen. Leider jedoch würde sie zum Ausruhen wenig Zeit haben, denn morgen Nachmittag wurde sie schon im Fernsehstudio erwartet, zu ihrem langersehnten Auftritt in
Late Tonight
.
    Ruth schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können, und versuchte, die Freude und die Aufregung zu empfinden, die sie in der ganzen letzten Woche verspürt hatte. Doch das fiel ihr schwer.
    Schließlich verließ sie das Flugzeug, doch statt wie ein Filmstar die Treppe hinunterzuschweben, auf einen Schwarm von Reportern zu, wurde sie mit dem Rest der Meute durch eine schmale, tunnelartige Gangway geschoben und musste sich dann zur Passkontrolle durchkämpfen. Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass der Flughafen sich sehr verändert hatte. Er war richtig modern geworden, und alles glänzte und schimmerte, gar nicht so anders als auf dem LAX in Los Angeles. Wo waren die Läden mit Irland-Andenken, mit Guinness und Aran-Pullovern geblieben? Soviel sie sehen konnte, wurde hier jetzt sogar MAC -Kosmetik verkauft. Okay, es war schon eine Weile her, dass sie das letzte Mal hier gewesen war, und sie wusste, dass Irland sich gemausert hatte, aber war das da hinten tatsächlich eine
Kaviar
-Bar?
    Ruth hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Heimatland sich derartig herausgeputzt und kultiviert präsentieren würde. Sie versuchte, ihr Erstaunen hinter einem unbekümmerten Lächeln zu verbergen. Schließlich würden die Menschen hier sich trotzdem über ihren Besuch freuen, ganz egal, wie sehr sich das Land in den letzten fünf Jahren entwickelt hatte, oder?
    Auch wenn sie sich noch so elend fühlen mochte, sagte Ruth sich, wusste doch niemand, was gestern Abend zwischen Troy und ihr passiert war. Daher war es am besten, wenn sie das alles im Moment zur Seite schob und einfach darauf hoffte, dass die Pille ihre Aufgabe erfüllte. Nein, heute durfte sie glücklich sein: Sie kehrte als ungeheuer erfolgreiche Frau in ihr Heimatland zurück, würde bald ihre Familie wiedersehen und morgen Abend im Fernsehen an der Talkrunde mit den höchsten Einschaltquoten teilnehmen. Weshalb also den Kopf hängen lassen? Eine Welle von Optimismus durchflutete Ruth, und sie straffte die Schultern, während sie sich der Schlange vor der Passkontrolle näherte.
    Sie schaute sich unter den anderen Reisenden um, fragte sich, ob jemand sie erkannte, und war ein wenig enttäuscht, dass anscheinend niemand die bezaubernde Frau mit der übergroßen Sonnenbrille bemerkte. Alle waren zu sehr darauf konzentriert, in der Schlange vorzurücken. Während auch Ruth sich weiter vorschob, überlief sie ein Schauder. Ob man um ihre Heimkehr wirklich so viel Aufhebens machen würde, wie sie sich erhoffte? Gut, die Iren waren für ihre bodenständige Haltung Prominenten gegenüber berühmt, aber verflixt noch mal, sie war doch Ruth Seymour, zurzeit eine der angesagtesten Schauspielerinnen überhaupt und noch dazu selbst Irin.
    Plötzlich vermisste sie den Starrummel in Hollywood. Sie erreichte den Schalter und streckte dem gelangweilten Beamten ihren Pass entgegen. Der Name würde diesem Mann mittleren Alters bestimmt nichts sagen, nein, natürlich