Glücksklee
ihre Gäste weitergeben?», fragte Ruth empört.
«Ich habe irgendwie den Eindruck, dass dieser Informant selbst ein Gast war», meinte Chloe kleinlaut. «Jemand, der sauer war, weil er keinen Schlaf gekriegt hat.»
Ruth war es ungeheuer peinlich, dass ihr Sexleben zum Thema einer öffentlichen Debatte geworden war. Noch peinlicher aber war ihr, dass diese Debatte ihr den weiten Weg über den Atlantik gefolgt war.
«Ruth Seymour zeigt Traumfabrik, was ’ne Party ist!», verkündete eine der zurückhaltenderen Schlagzeilen. Für Ruth selbst war das schon schlimm genug, aber wie ihre Eltern die ganze Geschichte aufnehmen würden, wagte sie sich gar nicht vorzustellen.
Die Seymours wollten heute von Lakeview nach Dublin kommen, um im Hotel ein paar Minuten mit Ruth allein zu verbringen, bevor die PR -Leute sie dann ins Fernsehstudio bringen würden. Bei dieser Talkshow war es üblich, dass die Familienangehörigen im Studio dabei waren.
Ruth hatte den Moment herbeigesehnt, wenn die Fernsehkameras sich auf ihre begeisterten Eltern im Publikum richteten, während der Moderator die beiden fragte, ob sie auf die Leistungen ihrer Tochter stolz seien. Doch jetzt war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich eine gute Idee war.
Sie schob die Zeitungen zur Seite und beschloss, in den sauren Apfel zu beißen und zu Hause anzurufen. Sie wollte ihren Eltern Bescheid geben, dass sie gut in Dublin angekommen und wieder frisch und munter war. Unter diesen Umständen machte der Gedanke an den Anruf sie allerdings sehr nervös.
Wochenlang hatte sie sich darauf gefreut, zu Hause anzurufen und ihre Ankunft zu melden, aber jetzt war alle Freude wie weggeblasen. Wenn ihre Eltern nun diese ekelhaften Schlagzeilen gelesen hatten? Mit einer Rückkehr in Glanz und Gloria war es gründlich vorbei. Eher schien es Ruth jetzt, als halte sie unter einer Wolke der Schande in Irland Einzug.
Dass andere Leute schlecht über sie redeten, damit konnte sie noch leben – immerhin hatte sie das jahrelang gemacht. Aber der Gedanke, dass ihre Eltern sich ihretwegen schämen könnten, machte Ruth sehr zu schaffen. Es war schon schwer genug gewesen, allen zu beweisen, dass sie in den letzten fünf Jahren ihre Zeit nicht verplempert hatte.
Ruth lehnte sich auf dem bequemen Bett zurück, drehte die Zeitungen um, damit sie die Schlagzeilen nicht mehr sehen musste, und wählte die Nummer ihrer Eltern. Wie immer nahm ihre Mutter gleich nach dem ersten Klingeln ab.
«Mum? Ich bin’s.» Ihr Mund wurde trocken, während sie auf die Antwort ihrer Mutter wartete.
«Ach, hallo, Liebes. Du bist also gut angekommen?»
Gott sei Dank, Breda Seymours Tonfall wirkte normal, vielleicht hatte sie noch keine Zeitung gelesen.
«Ja, der Flieger ist um kurz nach fünf heute Morgen gelandet, und ich habe gerade etwas Schlaf nachgeholt. Wie geht es euch denn? Ich kann es kaum erwarten, euch wiederzusehen. Habt ihr immer noch vor, heute Abend zur Talkshow zu kommen?»
«Natürlich. Wir freuen uns darauf. Können wir dich vorher noch sehen?»
«Ja, auf jeden Fall. Ich bin bis heute Nachmittag hier im Four Seasons. Ich glaube, sie schicken einen Wagen, der uns ins Studio bringt, wir müssten also genug Zeit haben, ein bisschen zu erzählen.»
«Schön. Wir freuen uns wirklich auf dich, Liebes.»
Ruth wurde leichter ums Herz. Ihre Eltern freuten sich auf sie – das bedeutete, dass sie die Schlagzeilen noch nicht gelesen hatten!
«Äh, Liebes, einfach, damit du Bescheid weißt … Ich habe versucht, deinem Vater die Zeitungen möglichst lange vorzuenthalten, und ich hatte gehofft, ich würde das schaffen, bis dieses ganze Chaos vorbei ist, aber dann hat er den Fernseher eingeschaltet, und da redeten sie gerade über deinen Fernsehauftritt und dass du dabei diese ganze Sache mit dem Skandal richtigstellen würdest. Daraufhin hat dein Vater die Zeitungen natürlich aus dem Müll gefischt.»
Ruth wurde kreidebleich. Sie schüttelte den Kopf, versuchte, das Bild ihres Vaters zu verscheuchen, wie er diese reißerischen Schlagzeilen las … wie er das grässliche Foto sah … Sie hätte sich ja denken können, dass ihre Mutter versuchen würde, sie zu decken, und dass ihr Vater es trotzdem rauskriegen würde. Ollie war ein wunderbarer Vater, aber er war immer sehr streng gewesen und hatte stets verlangt, dass Ruth sich wie eine Dame aufführte. Wenn sie als Teenager ausgegangen war, war er immer aufgeblieben, bis sie nach Hause kam, und hatte sie ausführlich
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