Glücksklee
konzentrieren. Sie sollte die Vermarktungsstrategie für G-Force, Piccolos brandneuen Energy-Drink, entwickeln. Der Präsentationstermin war schon in ein paar Tagen, aber aus irgendeinem Grund konnte sie nur an Babys denken.
Dabei hörte sie nicht etwa ihre biologische Uhr ticken, nein, umgekehrt: Sie konzentrierte sich nach Kräften auf die Vorstellung von einem eigenen Baby, um diese verdammte Uhr endlich in Gang zu bringen.
Die Ereignisse vom Wochenende und die Entdeckung, dass ihre Freundinnen sich absichtlich von ihr abwandten, brachten vieles an die Oberfläche – in erster Linie aber ihre Kinderlosigkeit.
Jess schob die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch zur Seite, denn sie konnte einfach nicht klar denken. Es war nicht zu leugnen, dass sie zutiefst verunsichert war. Sie war jetzt fünfunddreißig, und eigentlich hatte sie es immer für selbstverständlich gehalten, dass sie eines Tages Mutter werden würde. Ja, eines Tages.
Aber wann? Wann war der richtige Zeitpunkt? Bisher hatte sie immer angenommen, sie würde einfach wissen, wenn es Zeit war, so als würde plötzlich ein Lämpchen aufleuchten. Seufzend fragte Jess sich, ob irgendetwas mit ihr nicht stimmte, ob sie vielleicht zu den Frauen gehörte, die eine tiefer liegende, emotionale Aversion gegen Kinder hatten. Aber nein, das konnte nicht sein – sie liebte Babys, sie hatte als Kind gerne mit Puppen gespielt und erinnerte sich, dass sie ihre Eltern immer wieder hartnäckig um ein Brüderchen oder ein Schwesterchen gebeten hatte, denn als Einzelkind hatte sie sich einen Spielkameraden gewünscht.
Jess zog die Tastatur näher heran, rief Google auf und fing an zu surfen. Sie klickte
Mamas & Papas
an und andere Seiten, die mit Babys zu tun hatten. Sie hoffte, beim Anblick von Babyausstattung würde ihr warm ums Herz werden – aber nein, da rührte sich nichts.
Ernüchtert fragte Jess ihre E-Mails ab und entdeckte eine Nachricht von
Net-a-Porter
: Es gab Sonderangebote von Betsey Johnson. Sofort war sie hellwach und beeilte sich, die Mail zu öffnen.
Doch dann dämmerte es ihr. Betsey Johnson? War sie mittlerweile nicht ein bisschen zu alt für Punktmuster und Rüschenröckchen? Aber gerade da lag zum Teil das Problem, oder? Jetzt ging ihr ein Licht auf: Sie war fünfunddreißig, fühlte sich aber erst wie fünfundzwanzig.
Und nicht nur, dass sie zu alt für diese Mode war, waren nicht auch die Jahre der optimalen Fruchtbarkeit längst vorbei? Bei diesem Gedanken ging ihr Puls schneller. Sie klickte eine medizinische Website an und rief Informationen über Schwangerschaft auf. Jetzt erinnerte sie sich daran, dass Emer anfangs panisch gewesen war, weil sie nicht sofort schwanger geworden war. «Vielleicht habe ich es zu lange aufgeschoben!», hatte ihre Freundin sich gesorgt. Jess hatte diese Befürchtungen nicht ganz ernst genommen, weil Emer sich auch in ihren besten Zeiten gerne Sorgen machte, aber je mehr sie jetzt las, desto nachdenklicher wurde sie. Mit fünfunddreißig bestand anscheinend schon die Gefahr einer «Risiko-Schwangerschaft», und die Chance, überhaupt nicht mehr schwanger zu werden, war größer, als sie bisher gedacht hatte. Ihre Fruchtbarkeit nahm rapide ab und dass sie in den letzten Jahrzehnten so reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte, war sicherlich auch nicht gerade förderlich …
Jess zog die Stirn in Falten. Wenn sie nun so viel Zeit damit verplempert hatte, sich auf ihre Karriere zu konzentrieren, in der Welt herumzureisen und das Leben zu genießen, dass sie die Chance, ein Kind zu bekommen, verpasst hatte?
Jetzt machte sie sich wirklich große Sorgen. Sie griff zum Telefonhörer. Ob die biologische Uhr nun tickte oder nicht, sie wollte Brian anrufen. Er sollte sich mit ihr zu Hause treffen und ihr ein Kind machen. Doch just in diesem Moment klingelte das Telefon.
«Jess Armstrong», meldete sie sich zerstreut.
«Jess? Hallo, hier ist Emer. Passt es dir denn gerade?»
Jess bekam Herzklopfen. Warum rief Emer sie auf der Arbeit an? Das hatte sie noch nie getan, schließlich wusste sie aus eigener Erfahrung, wie hektisch es oft hier im Büro zuging. In den letzten Jahren hatten sie nur am Feierabend von zu Hause aus telefoniert, wenn sie beide Zeit zum Schwatzen hatten.
«Wie geht’s dir? Natürlich hab ich Zeit», sagte Jess munter. Sie versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.
«Bestimmt? Denn als du abgenommen hast, klangst du ein bisschen gestresst.»
Was sollte Jess da sagen? Ich
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