Glücksklee
befingerte ein Zuckertütchen und lächelte kläglich. «Das hat ziemlich unschön geendet.»
«Ach, das tut mir leid», sagte Jess, und wieder staunte Nina, wie unbefangen sie mit dieser jungen Frau sprechen konnte und was für eine Erleichterung es war, sich mit jemandem zu unterhalten, der nicht andauernd Fragen stellte. Trish versuchte unentwegt, sie über Steve und was mit ihm schiefgelaufen war auszuquetschen, und Ella wollte ständig aus ihr herauskitzeln, wie lange sie noch bleiben wollte und was sie als Nächstes vorhatte. Es war fast befreiend, mit einem Menschen zu sprechen, der sie nicht ständig löcherte.
«Kenne ich denn eins von den Getränken, die du verkaufst?», fragte sie Jess nun.
«Unser neuestes Getränk heißt G-Force – das ist ein Energy-Drink», erklärte Jess. «Porters ist natürlich unser Flaggschiff, und wir hoffen, dass dieses Bier sich irgendwann gegen Guinness durchsetzen kann. Dann haben wir noch Stingray, das ist unser bedeutendster Cider, Zielgruppe sind Studenten – hast du davon schon gehört?»
«Na klar. Allerdings darf ich in letzter Zeit leider keinen Tropfen Alkohol anrühren.» Nina lachte, bevor ihr klar wurde, dass sie sich verplappert hatte.
«Aus dem gleichen Grund, weswegen du unten bei den Umstandsmoden geschaut hast?», fragte Jess so ruhig, dass Nina sich zuerst gar nicht sicher war, ob sie richtig gehört hatte.
«Wie …?»
Jetzt war es an Jess, bestürzt zu sein. «Tut mir leid. Es geht mich überhaupt nichts an, und ich hätte dich nicht fragen sollen, aber als du gesagt hast, du dürftest keinen Alkohol …»
«Du hast recht.» Nina seufzte resigniert. Früher oder später würde sie es ohnehin zugeben müssen, und von Jess hatte sie vermutlich nichts zu befürchten. «Aber es weiß eigentlich noch niemand. O Mann, ich habe es wirklich noch keinem erzählt, denn Mum ist ja nicht da.»
«Also, ich halte dicht», versprach Jess. Irrte Nina sich, oder zitterte ihre Stimme ein wenig? «Und glaub mir, ich wollte dich wirklich nicht ausfragen – nichts ist schlimmer als Leute, die ihre Nase überall reinstecken.»
«Ist schon gut, ehrlich. Und wie du vermutlich erraten hast, war das auch mit ein Grund, warum ich aus Galway wegmusste.» Zu Ninas Entsetzen traten ihr die Tränen in die Augen. Diese verflixten Hormone!
«Ach Nina, meine Liebe, ist alles in Ordnung?» Jess kramte in ihrer Handtasche nach einem Papiertuch.
«Danke.» Nina schniefte. Sie kam sich ziemlich dämlich vor. Warum hatte sie diese arme Frau, praktisch eine Fremde, mit ihren Problemen überfallen? «Tut mir leid.»
«Hey, das muss dir doch nicht leidtun. Im Moment hast du bestimmt mit vielen neuen Gefühlen zu tun, von den alten mal ganz abgesehen.»
«Das stimmt.» Jess hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Nina wusste wirklich nicht mehr, was sie empfinden sollte – für Steve, für ihren Vater, für das Baby, für alles. Es war befreiend, offen darüber sprechen zu können. «Normalerweise lade ich meine Probleme nicht bei anderen Leuten ab.»
«Du lädst doch nichts ab, du sprichst einfach mit mir darüber, und das ist immer gut.»
Nina konnte kaum glauben, wie wohl sie sich mit Jess fühlte. Jess schien der einzige Mensch in ihrer Umgebung zu sein, der sie nicht kritisierte, nichts fragte und keine Mutmaßungen anstellte.
Vielleicht war das allein schon Grund genug, dass Nina beschloss, ihr alles zu beichten.
«Es ist einfach so verrückt», sagte sie und putzte sich die Nase. «Weißt du, ich will nicht, dass Steve, der Vater, etwas davon erfährt, und …» Nina holte tief Luft. Sie wollte ganz aufrichtig sein, Jess und vor allem auch sich selbst gegenüber. Doch sie wandte den Blick ab, denn sie konnte Jess nicht in die Augen sehen. «Jess, um die Wahrheit zu sagen, ich bin gar nicht sicher, ob ich das Kind will.»
Ein paar Tage später half Nina wieder in Ellas Café aus. Sie bemühte sich, nicht an ihre Begegnung mit Jess zu denken, doch ohne Erfolg.
Was war bloß in sie gefahren, dass sie einer Fremden alles erzählt hatte?
Aber an sich war Jess ja keine Fremde mehr, und sie war einfach so nett gewesen. Allerdings hielt sie Nina jetzt wahrscheinlich für ein herzloses Weibsstück, weil sie gesagt hatte, sie sei sich nicht sicher, ob sie das Baby behalten wolle. Und dabei wünschte Jess sich doch gerade selbst ein Kind.
Dabei musste man fairerweise sagen, dass Jess bei Ninas Geständnis nicht mit der Wimper gezuckt hatte. Stattdessen hatte sie weise
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