Glücksklee
offensichtlich sein, dass die Frau gleich weitersprach: «Ich bin’s, Jess. Ich war ein paarmal in Lakeview im Café – ich bin eine Freundin von Emer und Deirdre.»
«Ach ja, natürlich!» Nina lächelte höflich, obwohl sie sich ärgerte. Das war mal wieder typisch – sie lief einer Bekannten über den Weg. Diese Frau kam zwar nicht aus Lakeview, aber das spielte keine Rolle. Nina hatte schnell erkannt, dass ihre beiden Freundinnen richtige Klatschtanten sein konnten. Fairerweise musste sie allerdings sagen, dass Jess immer sehr freundlich und herzlich gewirkt hatte. «Sorry – ich habe dich nicht gleich erkannt.»
«Du machst dir einen schönen Tag in Dublin, ja?», fragte Jess liebenswürdig.
«Ja. Ich habe gerade, äh …» Sie sah, dass Jess’ Blick auf den Kleidungsstücken ruhte, die sie gerade betrachtet hatte. O Mann, hatte Jess etwas gemerkt? Die Abteilung für Umstandsmoden befand sich gleich neben der Abteilung für Bürokleidung, wo Jess selbst gestöbert hatte. Konnte Nina so tun, als sei sie versehentlich in die falsche Abteilung geraten? «Ach, ich bin ja bescheuert. Ich habe doch tatsächlich hier nach einer neuen Bluse gesucht!» Aber sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen und vermutete, dass Jess sie längst durchschaut hatte.
«Ja, die Berufskleidung hier ist phantastisch. Und die Umstandsmoden bestimmt auch, wenn man so was braucht.» Jess lachte unbekümmert. Sie schien tatsächlich nichts Ungewöhnliches bemerkt zu haben.
Doch da erinnerte Nina sich an ein Gespräch, das Jess und ihre Freundinnen neulich im Café geführt hatten. Jess war ebenfalls schwanger, oder?
«Ich nehme an, du brauchst so was bald selbst», sagte Nina scherzend, aber ein Blick auf das schmerzlich verzogene Gesicht der jungen Frau zeigte ihr, dass sie etwas falsch verstanden haben musste. Ach je, dachte Nina, jetzt bin ich ihr zu nahe getreten. Wie konnte ich so etwas sagen, wo ich doch gar nicht sicher bin, ob …
«Ja, vielleicht irgendwann mal.» Jess lächelte angespannt.
«Es tut mir leid. Ich …» Am besten war es, gleich reinen Tisch zu machen, entschied Nina. «Ich erinnerte mich bloß, dass deine Freundinnen im Café so was in der Richtung sagten, aber ich muss das missverstanden haben. Hoffentlich habe ich dich jetzt nicht gekränkt.»
«Du brauchst dich wirklich nicht zu entschuldigen, Nina. Ich kann sehr gut verstehen, warum du das angenommen hast. Die beiden tragen in dieser Hinsicht ein bisschen dick auf. Ja, ich hätte gerne irgendwann ein Baby», setzte Jess sanft hinzu, «aber im Moment ist das nicht so recht möglich.»
«Ach so.» Nina war voller Mitgefühl, und sie verstand genau, was Jess bezüglich ihrer Freundinnen meinte. Sie hatte Emer und Deirdre, obwohl Trish anfangs so seltsam auf die beiden reagiert hatte, bei ihren Cafébesuchen inzwischen recht gut kennengelernt, und ja, sie benahmen sich manchmal wirklich wie die perfekten Übermütter.
«Ich glaube, die beiden fänden es ganz toll, wenn wir alle zusammen Mamas sein könnten, aber es klappt eben nicht immer so, wie man möchte, und …» Jess brach ab, als würde ihr plötzlich bewusst, dass sie auf dem besten Wege war, eine praktisch fremde Frau in ihr Geheimnis einzuweihen. «War jedenfalls schön, dich zu treffen, Nina, und noch viel Spaß beim Shoppen.»
Jess wandte sich zum Gehen, aber nun fand Nina die Sprache wieder: «Äh, hättest du vielleicht Lust auf eine Tasse Kaffee? Ich wollte gerade selbst … vielleicht möchtest du ja auch?» Sie wusste nicht genau, warum sie Jess einlud, aber diese Frau strahlte etwas aus, eine Verletzlichkeit, und Nina wollte sich gerne noch ein bisschen länger mit ihr unterhalten. «Ich schulde dir einen Kaffee, nachdem ich eben so ins Fettnäpfchen getreten bin», erklärte sie.
Jess schien sich aufrichtig zu freuen. «Danke. Sehr gerne.»
Die beiden wanderten nach oben ins Café und plauderten eine Weile bei ihren Cappuccinos. Nina erfuhr mehr über Jess’ Arbeit in der Getränkefirma, die faszinierend klang, und sie erzählte von Cathy und ihren Auslandsreisen.
«Sechs Monate sind eine lange Zeit. Du musst deine Mutter sehr vermissen», sagte Jess, und Nina nickte.
«Bei Dad zu wohnen ist okay, aber es ist einfach nicht dasselbe.»
«Das kann ich mir vorstellen. Also hast du bei deiner Mutter gelebt, bis sie auf Reisen gegangen ist?»
«Nein, nein, ich habe jahrelang in Galway gewohnt, aber dann habe ich mich von meinem Freund getrennt und bin hergekommen.» Nina
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