Glücksklee
Privatklinik in Dublin. Da ihre Eltern immer noch nichts von ihrer Schwangerschaft wussten, wollte sie sich ein Stück von der Klinik entfernt vom Taxi absetzen lassen und dann zu Fuß weitergehen, um keinen Verdacht zu erregen. Außerdem hatte sie das Taxi ins Stadtzentrum von Lakeview bestellt, nicht zu ihrem Elternhaus.
Tief in Gedanken versunken wanderte Ruth in die Stadt. Sie überlegte gerade, wie es wohl sein würde, das neue Leben in ihrem Bauch mit eigenen Augen zu sehen, da bremste ein Auto neben ihr, und eine Männerstimme rief ihren Namen.
«Ruth!»
Sie schaute auf. Der Fahrer des Wagens war niemand anderes als Charlie.
«Ach, hallo.» Ruth lächelte, winkte und tat ihr Bestes, um entspannt und gelassen zu wirken. Doch sie konnte nicht leugnen, dass ihr Herzschlag kurz aussetzte, als sie Charlie erkannte. Allerdings verdrängte sie diese Wahrnehmung rasch wieder.
«Wo willst du hin? Kann ich dich mitnehmen?»
«Nein, ich gehe gern zu Fuß. Ich will nur in die Stadt.»
«Aber es sieht nach Regen aus. Du willst doch nicht nass werden.»
Ruth schaute hoch. Der Himmel wirkte wirklich bedrohlich dunkel. «Gut, wenn es dir nichts ausmacht …»
«Überhaupt nicht. Steig ein.» Er beugte sich herüber, öffnete die Beifahrertür, und Ruth glitt neben ihm auf den Sitz.
«Schönes Auto», sagte sie, während sie die luxuriöse Lederausstattung des Mercedes in Augenschein nahm.
«Na ja, es hat schon ein paar Vorteile, in dieser Branche zu arbeiten.» Charlie lächelte. «Aber leider gehört der Wagen nicht mir. Es ist ein Vorführwagen.»
Charlie fuhr los. Ein unbehagliches Schweigen entstand, während sie sich der Innenstadt näherten.
«Und wie geht’s dir in letzter Zeit so?», fragte Charlie schließlich. Verstohlen warf er einen Blick auf ihren Bauch.
«Mir geht’s prima, danke.»
«Wie fühlst du dich? Leidest du unter Morgenübelkeit oder so?»
Ruth schaute ihn von der Seite an. «Nein, bloß am Anfang war mir ein bisschen schlecht, aber in den letzten Wochen gar nicht mehr.»
«Da hast du aber Glück. Meine Schwester Kelly – erinnerst du dich an sie? – hat die ganzen neun Monate damit zu tun gehabt.»
«Die Arme. Ja, ich habe wohl wirklich Glück. Wie geht’s ihr denn inzwischen? Ist das Kind ein Junge oder ein Mädchen?»
«Ein Junge, Lenny heißt er, und es geht ihr gut. Der Kleine ist schon fast zwei – ein ganz verrückter Kerl.» Charlie lächelte liebevoll und schüttelte den Kopf. «Kaum zu bändigen.»
«Das kann ich mir denken.» Ruth konnte sich nur schwer vorstellen, wie sie selbst hinter einem energiegeladenen Kleinkind herrannte. Es erschien ihr immer noch nicht ganz real, aber das würde sich ja wohl heute ändern.
«Dann verläuft also … alles gut?», fragte Charlie, und Ruth überlegte, warum er sich so für ihre Schwangerschaft interessierte, obwohl er doch anfangs so negativ darauf reagiert hatte.
«Ich glaube ja, aber heute werde ich Genaueres erfahren.»
«Wie meinst du das?»
«Ich bin auf dem Weg zum Ultraschall.»
«Aha? Wo willst du denn hin?»
«Nach Dublin.»
Charlie wirkte überrascht. «Mir war nicht klar, dass du dich hier in Irland untersuchen lassen willst. Ich dachte, du würdest warten, bis du wieder in Los Angeles bist – einfach für alle Fälle.»
«Ich weiß, was du meinst, aber hier lässt es sich viel besser geheim halten als in Hollywood. Ein Anruf von einer geschwätzigen Krankenschwester da drüben würde genügen, und schon hätte ich die Stalkerazzi auf dem Hals.»
«Da hast du wohl recht. Also, ich hoffe, alles läuft gut … aber warte mal, wie kommst du denn dahin? Nach Dublin in die Klinik, meine ich.»
«Ich habe ein Taxi bestellt – meine Eltern wissen noch nichts, deswegen erschien mir das sicherer.»
«Blödsinn – ich fahre dich hin.»
«Charlie, nein. Es ist schon sehr nett von dir, dass du mich in die Stadt bringst.»
«Hör auf, Ruth. Ich fahre dich. Du willst doch nicht etwa, dass einer von Johnny Darcys Fahrern vielleicht eins und eins zusammenzählt», argumentierte er. Johnny Darcy war der Taxiunternehmer in Lakeview. «Dann wüsste es wirklich bald die ganze Stadt.»
Ruth dachte darüber nach. Ja, es war sicherlich besser, wenn jemand sie nach Dublin brachte, der um ihre Situation wusste. Dann lief sie nicht Gefahr, sich unterwegs zu verraten.
«Danke für das Angebot, aber du hast doch bestimmt eine Menge zu tun.»
«Pst, Ruth», sagte Charlie sanft, aber bestimmt. «Ich bringe dich hin, und ich
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