Glücksregeln für den Alltag
letztendlichen Zweck zu sehen. Wenn also ein Sozialarbeiter richtig ausgebildet und angeleitet wird und man darauf geachtet hat, dass von Anfang an die richtige Motivation vorhanden ist, dann ist er vielleicht besser in der Lage, seine Arbeit als Berufung zu sehen.“
„Nun, wenn jemand in einem Berufsfeld wie Sozialarbeit oder anderen ,Helferberufen’ tätig ist, dann besteht offenbar zumindest eine gute Chance, dass dies seine ,Berufung’ ist, weil er anderen Menschen hilft und dadurch etwas zur Verbesserung der Gesellschaft beiträgt. Ich bringe hier nur ein paar Ideen ein und versuche, die Dinge zu klären, aber ich hätte gerne gewusst, was Sie über Höchstleistungen als höhere Motivation oder Ziel der Arbeit denken — ich meine, wo es nicht unbedingt darum geht, der Gesellschaft zu helfen oder anderen zu helfen oder um ein höheres Ziel in diesem Sinne, sondern um eine andere Art höheres Ziel: Man arbeitet, weil man Bestleistungen erbringen möchte, ganz gleich, auf welchem Gebiet man tätig ist. Menschen, die das anstreben, wollen durch ihre Arbeit möglichst ihr persönliches Potenzial entfalten. Hier liegt der Fokus auf der tiefen Befriedigung, die einfach daher kommt, dass jemand eine gute Arbeit macht. Würden Sie das als ,höheres Ziel’ ansehen und es der Kategorie der Berufung zuordnen?“
„Ich denke, das könnte man wohl tun“, erwiderte der Dalai Lama zögernd. „Ich persönlich denke, es ist im Allgemeinen das Beste, wenn der höhere Zweck oder Sinn einer Arbeit damit zu tun hat, dass man anderen Menschen in irgendeiner Weise hilft. Aber es gibt viele unterschiedliche Menschen, verschiedene Standpunkte, Interessen und Veranlagungen. Daher ist es vermutlich sehr gut möglich, dass für manche Menschen das höhere Ziel ganz einfach darin liegt, in der Arbeit ihr Bestes zu geben und darin möglichst kreativ zu sein. Hier liegt der Hauptschwerpunkt dann auf dem kreativen Prozess und der hohen Qualität der Arbeit. Und ich denke, das kann zu einer Wandlung in der Arbeitsauffassung führen, dazu, dass man die Arbeit nicht mehr als bloßen Job oder als Karrierechance sieht, sondern als Berufung. Aber auch hier muss man wiederum die richtige Motivation haben - das heißt, man sollte in seiner Arbeit nicht von starkem Konkurrenzdenken oder von Neid geleitet sein. Das ist wichtig.
Ich glaube zum Beispiel, dass es viele Wissenschaftler gegeben hat - und noch heute gibt -, die aus purer wissenschaftlicher Neugier und starkem Interesse für ihr Forschungsgebiet ihre Experimente machten, einfach um zu sehen, was sie dabei herausfinden würden. Und ich denke, dass für diese Menschen ihre Arbeit eine Art Berufung war und ist. Und bei diesen neuen Entdeckungen kommen Dinge heraus, die letztendlich auch anderen Menschen zugute kommen, obwohl dies gar nicht die ursprüngliche Absicht der Wissenschaftler gewesen war.“
„Das ist vermutlich ein gutes Beispiel“, stellte ich fest.
„Natürlich liegt darin manchmal eine Gefahr“, warnte er. „Es gab und gibt immer wieder Wissenschaftler, die in der Forschung tätig sind und waren, mit der neue Waffen für die Massenzerstörung möglich wurden. Vor allem unter den Amerikanern gab es sie!“ Er lachte. „Und ich könnte mir denken, dass sie in ihrer Arbeit ebenfalls eine Berufung sahen, indem sie Instrumente entwickeln wollten, um den Feind zu zerstören und sie hatten dabei vielleicht auch im Sinn, ihre eigenen Familien im Notfall zu schützen. Aber es gibt immer Machthaber, wie etwa Hitler, die solche Entdeckungen auf falsche Weise nutzten.“
„Nun, wie ich schon sagte, gibt es bestimmte Berufe, bei denen es möglicherweise leichter sein mag, seine Arbeit als Berufung zu betrachten“, fuhr ich fort. ,Arbeitsfelder wie die Sozialarbeit, die Medizin oder den Lehrberuf. Aber wir haben erwähnt, dass es Millionen Menschen gibt, die gar nicht die Gelegenheit oder das Interesse haben, große Wissenschaftler oder Sozialarbeiter oder Lehrer zu werden oder im Gesundheitswesen zu arbeiten. Die in Jobs tätig sind, in denen ein höheres Ziel, dem Wohlergehen anderer zu dienen, nicht unbedingt offenkundig ist und wo es schwer sein mag, die Arbeit als Berufung zu betrachten. Zum Beispiel gibt es viele Berufe, mit denen man die Vorstellung verbindet, das einzige Interesse dabei könne nur das Geldverdienen sein - Banker, Börsenmakler und so weiter - oder das Interesse an Karriere, Status oder Macht - wie bei Managern, Rechtsanwälten oder ähnlichen
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