Glücksregeln für den Alltag
hängt das von der Motivation des Einzelnen ab; aber wenn man nur am beruflichen Fortkommen, an Aufstieg, Titeln und immer höheren Positionen interessiert ist, besteht die Gefahr, dass man übermäßig viel Konkurrenzgeist entwickelt: Frustration, wenn man nicht aufsteigt, und Neid, wenn andere einen überrunden. Das kann nicht zur optimalen Zufriedenheit führen. Und man riskiert damit, sich Feinde zu machen. Andererseits kann man häufig beobachten, dass jemand, der seine Arbeit als Berufung betrachtet, zufriedener ist.
Und ich denke, es hat auch noch andere positive Auswirkungen, wenn ein Mensch seine Arbeit als Berufung sieht. Wir sprachen an früherer Stelle einmal über Langeweile, und Sie fragten mich, wie ich mit Langeweile umgehe. Ich gab Ihnen eine Antwort, obwohl ich nicht sicher war, dass meine Erfahrungen auf alle Menschen anwendbar sind. Aber das hier ist wohl etwas, was für viele Menschen gelten kann. Wenn Sie Ihre Arbeit als Berufung betrachten, wird das ganz bestimmt dazu beitragen, dass Ihr Geist nicht so leicht ermüdet. Es verringert die Langeweile und gibt Ihnen mehr Zielbewusstsein und Entschlossenheit. Und mit dieser Auffassung können Sie sich Ihr Interesse und Ihre Begeisterung bewahren, selbst wenn Sie kein Lob und keine Beförderung erhalten.“
A ls wir die drei primären Haltungen zur Arbeit - Job, Karriere und Berufung - erörterten, hatten wir ausführlich über die erste Kategorie von Menschen gesprochen, für die Geld die wichtigste Motivation ist. Aber der Dalai Lama wies zu Recht darauf hin, dass das alleinige Streben, Karriere zu machen, bei dem Aufstieg, Titel und immer höhere Stellungen im Vordergrund stehen, ebenfalls zu Kummer und Unbehagen führen kann. Diane ist ein Beispiel für die destruktiven Folgen eines übermäßigen Karrierismus, der in ihrem Fall mit einem sehr ausgeprägten Streben nach einem höheren Status und größerem Reichtum verbunden ist.
Diane ist Rechtsanwältin, eine sehr talentierte Juristin. Obwohl sie eine eloquente Rednerin ist und imstande, eine hart gesottene Jury mit schlagenden Argumenten und leidenschaftlichen Plädoyers umzustimmen, ist sie, als sie gefragt wird, warum sie ihren Beruf ergriff, plötzlich um Worte verlegen. Vielleicht deshalb, weil sie stets zwischen zwei gegensätzlichen Arbeitsauffassungen hin- und hergerissen wurde - einerseits betrachtete sie ihren Beruf als Mittel, um zu Wohlstand zu kommen, einen angesehenen gesellschaftlichen Status zu erhalten und von den anderen in ihrer Intelligenz bestätigt und anerkannt zu werden; andererseits sah sie darin eine Chance, Menschen vor Kriminellen zu schützen, vor räuberischen Individuen, die Leben zerstören und die Gesellschaft unterminieren. Leider bekam die eine Seite in ihr mit der Zeit mehr Gewicht als die andere, da ihr großer Ehrgeiz den ernsthaften Wunsch überwog, dem Wohl anderer Menschen zu dienen.
Ihre Berufslaufbahn hatte sie im Büro des Generalstaatsanwalts begonnen; sie war ein viel versprechendes Talent, gewann einen
Fall nach dem anderen und stieg die Karriereleiter schnell hinauf. Aber als sie Ende dreißig war, konnte sie der Verlockung des Geldes nicht widerstehen, das ihre Kollegen in großen Unternehmen oder als Anwälte für Schadensersatzklagen verdienten. Als sie deswegen in den privaten Sektor wechseln wollte, musste sie jedoch die Erfahrung machen, dass sie mittlerweile als zu alt galt, um noch Juniorpartnerin in einer Kanzlei zu werden. Überdies hatte sie zu lange im Strafrecht gearbeitet, um in einem anderen Bereich noch als Quereinsteigerin zu beginnen. Also machte sie eine eigene Praxis auf, war jedoch nie imstande, so viel Geld zu verdienen oder sich so viel Ansehen zu verschaffen, wie sie gerne gehabt hätte.
Natürlich wurde dadurch ihr Verlangen nach Wohlstand und Anerkennung nicht geringer. Im Gegenteil, es nahm im Laufe der Jahre sogar noch zu, angestachelt durch ihre Gewohnheit, Rundschreiben ehemaliger Kommilitonen sowie die Seiten juristischer Fachzeitschriften und Zeitungen zu überfliegen, um sie nach Berichten über die letzten Erfolge ihrer Kollegen abzusuchen. Verzehrt von Konkurrenzgeist und Neid, wie sie war, stellte jede Auszeichnung, die ein anderer Anwalt erhielt, jede Beförderung eines Juniorpartners, jeder große Erfolg in einem Schadensersatzprozess (wobei sie die dreißig Prozent Honorar, die der jeweilige Kollege kassierte, bis auf die Punkte hinter dem Komma ausrechnete) einen Affront gegen sie dar. Daraus
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