Glücksspiel des Schicksals (Baccara) (German Edition)
kaum die Möglichkeit gehabt, mal über den Tellerrand zu schauen. Nichtsdestotrotz wusste Sebastian um ihre rebellische Ader. Die hatte sich nur hinter der sensiblen und aufmerksamen Fassade der Frau versteckt, die seine Assistentin bis vor wenigen Tagen noch gewesen war.
An einer Ampel bogen sie nach rechts ab und folgten dem Hinweisschild zum Krankenhaus. Es wurde nicht mehr gesprochen, bis sie in der Auffahrt zum Eingang hielten.
„Ich setz euch hier ab und parke den Truck“, sagte David. „Vater ist noch auf der Aufwachstation. Die anderen warten schon dort.“
Sebastian half Missy beim Aussteigen. Obwohl sie das Sweatshirt trug und die Nacht mild war, waren ihre Hände eisig kalt. Offenbar stand sie unter Schock. Er kannte die Anzeichen. Seiner Mutter war es ähnlich gegangen, als Brandon seinen Infarkt hatte. Sebastian wusste, was zu tun war. Er bot ihr eine Schulter zum Anlehnen und nahm ihre Hände, um sie an seinem Körper zu wärmen. Sie schlurfte willenlos neben ihm her, mit unsicheren Schritten.
„Es wird alles gut werden“, sagte er, als die Eingangstüren vor ihnen zur Seite glitten.
Sie betraten den Wartebereich. Missy fasste sich und ging voraus. Für Sebastian war es nicht leicht, sie loszulassen, aber er wollte dem Wiedersehen mit der Familie nicht im Wege stehen. Drei hochgewachsene Männer, die David ähnlich sahen, umarmten sie herzlich. Dann folgten die vier Ehefrauen ihrer Brüder, die sie genauso liebevoll begrüßten.
Suchend drehte sich Missy nach ihm um. Sebastian kam näher und wollte sie schon in seine Arme nehmen, da bemerkte er ihren Blick und ihr leichtes Kopfschütteln. An ihre Familie gewandt, stellte Missy ihn vor. „Das ist mein Chef, Sebastian Case.“
Als er ihnen allen die Hand schüttelte, konnte er regelrecht spüren, wie nahe sich Missys Familienmitglieder im Gegensatz zu seinen standen. Max und er waren sich zwar ähnlich, aber die Wege, die sie im Leben genommen hatten, hatten sie räumlich und menschlich auseinandergebracht. Und auch wenn sie beide nun für Case Consolidated tätig waren, so waren sie eher Kollegen als Geschwister.
Soweit er mitbekam, lebten alle aus Missys Familie im Umkreis von nur wenigen Meilen. Alle Brüder waren verheiratet und hatten schon Kinder. Er stellte sich die ausgelassenen Familienfeiern mit all den umhertollenden Kindern vor und verstand, warum es Missy so hart traf, dreißig zu werden, wenn er an ihren Wunsch, eigene Kinder mit einem Ehemann zu haben, dachte.
Zwei Stunden später wurde Pfarrer Ward auf die Intensivstation verlegt. Nun hatte jedes seiner Kinder die Möglichkeit, ihn kurz zu sehen. Missy ging als erste und saß dann anschließend mit Sebastian wieder im Warteraum. Beide hielten Abstand voneinander. Missy wollte nicht, dass ihre Familie mehr als nötig erfuhr, was Sebastian betraf.
Die ungewohnte Distanz zwischen ihm und Missy bereitete ihm Unbehagen. Dass er ihr nicht offen seine Unterstützung zeigen konnte, wurmte ihn. Zumal er nicht der Mann war, der untätig herumsitzen wollte. Irgendwie musste er Missy doch helfen.
Und eigentlich musste er auch wieder nach Las Vegas zurück. Sollte sein Vater länger als einen Tag den Vorsitz über die Konferenz haben, könnte das Probleme verursachen.
Als es acht Uhr wurde, wollte er nicht mehr länger ausharren und erhob sich ruhig. Missy hatte die Augen geschlossen, ihr Kopf war nach hinten gesunken und ruhte an der Wand. Als Sebastian leise zu ihr ging, streckte sie sich und schaute sich müde um. Ihre Schwägerinnen waren bereits gegangen, um zu Hause nach dem Rechten zu sehen. Nur ihre Brüder waren geblieben.
„Ich geh mal raus und informiere mich, was die Konferenz macht.“ Er drückte ihre Hand.
Der schlechte Empfang im Gebäude hatte verhindert, dass er Anrufe erhielt. Nun hatte er zwei Nachrichten empfangen. Bei der ersten musste er fluchen.
Verdammt, was ging da vor?
Er wählte Max’ Nummer und hörte bereits den verärgerten Unterton, als sein Bruder ans Telefon ging.
„Sebastian, seit Stunden versuche ich dich zu erreichen. Wo steckst du?“
„Ich bin mit Missy in Crusade. Ihr Vater hatte … einen Unfall.“ Keine Zeit für lange Erklärungen. „Lucas Smythe hat mir auf die Mailbox gesprochen, dass er die Konferenz verlässt. Was ist da los?“
„Er will nicht mehr verkaufen.“ Sebastian konnte durch die Leitung hindurch Max’ Anspannung heraushören.
„Warum nicht?“
„Er meinte, er hätte es sich anders überlegt.“
„Noch vor
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