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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Büro ging oder am Fließband stand. Nur dass ihre Arbeitszeiten
nicht der Norm entsprachen. Wenn sich die joggende Nation am Sonntagmorgen unter
irgendeinem Startbanner versammelte, war das ihr Freizeitvergnügen. Für Katinka
bedeutete es Job, Beruf, Knochenarbeit. Werktags um fünf den Hammer fallen zu lassen,
kam nicht infrage. Sportler war man 24 Stunden am Tag: Morgens bestrich man das
Vollkornbrot hauchdünn mit Butter, und wenn die beste Freundin Party feierte, nippte
man am Mineralwasser. Vom Tanzen ganz zu schweigen.
    Und dann
gab es ja noch ein Thema.
    »Wie ist
das mit deinem Nachwuchs?«, fragte ich. »Spitzensportler mit Familie sind eher selten,
oder?«
    »Spitzensportler
nicht«, antwortete sie mit Betonung auf der letzten Silbe des Substantivs.
    »Aber Sportlerinnen?«
    »Tja.«
    Während
sie stumm in die Dämmerung blickte, wartete ich vergeblich auf weitere Erläuterungen.
Dass man ihr aber auch alles aus der Nase ziehen musste!
    »Hast du
schlechte Erfahrungen gemacht?«, bohrte ich weiter. »Ich stelle mir das nicht ganz
einfach vor, beides zu vereinbaren. Immerhin musst du …«
    »Es geht«,
unterbrach sie mich. »Es ist machbar, wenn du es willst. Niemand legt dir Steine
in den Weg. Aber gut überlegen musst du es dir schon.«
    »Klar.«
    »Ich habe
schon mein Medizinstudium dem Sport geopfert. Nach sechs Semestern. Für die Familie
musste der Sport dran glauben. Fast drei Jahre habe ich ausgesetzt, und das in einer
Phase, als ich wirklich gut in Form war. Diesen Preis musst du zahlen. Jetzt werde
ich dafür belohnt. Ich habe die Quali und Familie. Außerdem sehe ich vieles
anders als vorher.«
    »Wie, anders?«
    »Weiß nicht.
Entspannter wahrscheinlich. Es gibt Dinge, die nicht mehr so wichtig sind.«
    »Du meinst:
weniger wichtig als Kinder?«
    »Ja, vielleicht.«
Ihre Finger kneteten einander, als seien sie eingeschlafen und müssten sich gegenseitig
wecken. Plötzlich wandte sie mir ihr Gesicht zu. »Aber nun denk nicht, dass ich
weniger ehrgeizig wäre als früher. Okay, vielleicht nicht mehr so verbissen. Dafür
kann ich mich ganz anders quälen. Außerdem«, der nächste Gedankensprung, »hat auch
Heiner seine Opfer gebracht, damit ich meinen Sport ausüben kann. So etwas macht
stark, wenn die Familie hinter einem steht. Ich habe keinen Grund, mich zu beklagen.
Meine Startbedingungen sind nicht schlechter als die der acht Jahre jüngeren Mädels,
die keine Kinder haben.«
    »Klingt
gut.«
    »Obwohl,
einen Nachteil gibt es: Wenn du 33 bist, hast du nur noch eine Olympiachance. Die
muss ich nutzen.«
    Über diesen
Satz dachte ich eine ganze Weile nach. Die letzte Chance mit 33! So etwas musste
man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dabei waren Marathonläuferinnen noch gut
dran. Welcher Schwimmer zählte als 30-Jähriger noch zur Weltelite? Turner waren
mit Anfang 20 verheizt. Andererseits konnten die sich nach ihrem Karriereende in
Ruhe an die Familienplanung machen.
    »Jaja, die
liebe Familie«, seufzte ich. Gut, dass Christine das nicht hörte!
    Katinka
schwieg.
     
     
     
     

6
     
    Als wir Frankfurt erreicht hatten,
lotste sie mich zur Uniklinik, Abteilung Sportmedizin. Es ging zum Mainufer, an
Straßenbahnschienen vorbei, mitten hinein in den Krankenhausdschungel, in dem unablässig
gebaut, renoviert und nachverdichtet wurde. Hätten sie mal lieber das Parkhaus mit
seiner asthmatischen Betonarchitektur sanieren sollen.
    »Ich hasse
dieses Teil«, murmelte Katinka. »Gibt es wirklich keinen Platz draußen?«
    Aber dort
war alles von den Chefärzten belegt. Reserviert für Dr. Soundso und Professor Schlagmichtot.
Uns dagegen empfingen zuckende Neonröhren in schlecht belüfteten Parkdecks. Katinka
beeilte sich, ins Freie zu kommen.
    »Soll ich
mit rein?«, fragte ich, als sie ein mehrstöckiges Klinikgebäude ansteuerte.
    »Du musst
nicht. Es dauert allerdings.«
    Ich sah
mich um. Eine halbwegs sinnvolle Möglichkeit des Zeittotschlagens, sagen wir: eine
Kneipe, bot das Klinikgelände nicht. Außerdem hätte ich eh keinen Alkohol trinken
dürfen. Also begleitete ich meinen Schützling bis ins Wartezimmer von Dr. Andreas
Karst, der – nach den Familienfotos an der Wand zu urteilen – noch zu den jüngeren
Sportärzten gehörte.
    »Er hat
auch zwei Kinder«, erklärte Katinka. »Nicht viel älter als meine.«
    »Qualifiziert
ihn das zum Arzt deines Vertrauens?«, grinste ich.
    »Andreas
ist der beste«, entgegnete sie nüchtern. »Nicht nur fachlich. Drei Viertel

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