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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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lang! Das Olympiastadion
sieht aus, als wolle es im nächsten Moment seine silbernen Flügel ausbreiten und
davonfliegen. Und wo sind die Nazis, die unausrottbaren Nussknackerdeutschen, die
noch eine Generation zuvor die halbe Welt in Schutt und Asche gelegt haben?
    Lediglich
zu Beginn der Feier, als Avery Brundage, der alte Judenhasser, auf das Podium gewackelt
kommt, um seine Spiele zu eröffnen, schimmert die hässliche Greisenfratze des IOC
unter der Münchner Schminke hindurch. Aber dann hat die brünette, langhaarige Heidi
ihren Auftritt, und alles ist gut. Schön und gut.
    Im Geiste
sportlicher Fairness.
    Zum Ruhme
des Sports.
    Zur Ehre
unserer Mannschaften.
    Tags darauf
ging es los mit den Spielen, es wurde gelaufen, geworfen, betrogen, getrickst und
scharf geschossen, und am Ende hielt Mr. Brundage seine zweite Münchner Rede. Nach
Bekanntgabe des Resultats im Fürstenfeldbrucker Feuergefecht – 9 tote Israeli, 3
Palästinenser, 1 Deutscher – prägte er einen Satz, der es verdient hätte, auf jedem
Spielautomaten zu stehen. In Kapitälchen.
    The games
must go on.
    Komisch,
dass ich ausgerechnet an diesen Satz denken musste, als ich am frühen Dienstagmorgen
das Haus der Glücks erreichte. Wahrscheinlich war das Blut schuld daran. Die kleine
Lache Blut auf dem Asphalt, aus der sich zwei dicke Schlieren gelöst hatten, um
der abschüssigen Straße ein Stück weit Richtung Tal zu folgen. Irgendwann hatten
sie eingesehen, dass sie es nicht bis nach unten schaffen würden, und hatten aufgegeben.
Waren erstarrt und erkaltet.
    Ja, bestimmt
lag es an dem Blut. Auch wenn es nur Katzenblut war.
    Mich nach
allen Seiten umblickend, stellte ich mein Rad ab. Die kleine Straße lag ruhig da,
kein Mensch zu sehen. Die einzigen Geräusche, die an mein Ohr drangen, kamen von
unten, aus dem Tal. An- und abschwellender Verkehrslärm, ungeduldiges Hupen, das
Dröhnen eines schwerfälligen Busses. Die Berufspendler aus Wilhelmsfeld und Peterstal
auf ihrem Weg nach Heidelberg oder neckaraufwärts.
    Dass dort
unten regelmäßig Katzen überfahren wurden, war nachvollziehbar. Aber hier, am Ende
einer steilen Sackgasse? Wer vor dem Haus der Glücks einen Vierbeiner unter die
Reifen bekam, war entweder schwer dämlich. Oder er tat es mit Absicht.
    Ich hielt
den Atem an und beugte mich über das tote Tier. Ohne in die Einzelheiten zu gehen:
Es war kein schöner Anblick. Die Beine grotesk verdreht, der Unterleib formlos und
zerquetscht. Wenigstens Nanuschkas Gesicht war heil geblieben. Traurig ragten ihre
Schnurrbarthaare in die Morgenluft.
    Als Nächstes
zog ich mein Handy und rief bei den Glücks an. Zehn Meter entfernt von mir wurde
ein Hörer abgenommen.
    »Morgen,
Heiner«, sagte ich. »Schlechte Nachrichten: Eure Katze ist überfahren worden. Könntest
du mit einer Schaufel vors Haus kommen? Aber bitte so, dass die Kinder nichts mitbekommen.
Katinka soll sie von den Fenstern fernhalten.«
    Und weil
ich das Telefon schon mal in der Hand hielt, machte ich nach Beendigung des Gesprächs
gleich ein paar Aufnahmen des Unfallopfers. Ich hatte keine Ahnung, ob die Kriminalpolizei
neuerdings auch Haustiere obduzierte und ob sie in diesem Fall überhaupt dazu bereit
wäre, aber gegen eine Dokumentation der Spuren sprach nichts.
    »Ach, du
Schande«, entfuhr es Katinkas Mann, als er neben mir stand. »Wie sollen wir das
Fiona beibringen? Sie fragt den ganzen Tag nach ihrer Katze.« Er warf einen hilfesuchenden
Blick zum Haus hinüber. Hinter den Vorhängen blieb alles ruhig.
    »Ist bei
euch schon jemals ein Tier überfahren worden?«, fragte ich.
    »Direkt
vorm Haus? Nein, nie. Hier fährt doch keiner schneller als Schritttempo.«
    Ich schwieg.
Heiner sah mich an und zog eine Grimasse.
    »Du meinst,
wir sollten die Polizei rufen?«, sagte er.
    »Informieren
sollten wir sie. Ich mache das.«
    Während
Heiner die tote Nanuschka auf die mitgebrachte Schaufel lud, wählte ich Kommissar
Fischers Dienstnummer. Er war natürlich noch nicht im Büro, aber irgendeinem übermüdeten
Bereitschaftspolizisten wollte ich die Story nicht unterbreiten. Also sprach ich
Fischer auf die Mailbox und bat ihn, im Laufe des Tages bei den Glücks vorbeizuschauen.
    »Möglichst
diskret«, fügte ich mit Blick auf Katinkas Mann noch an. Vorsichtig verstaute er
seine Last unter den Zweigen eines immergrünen Buschs, geschützt vor kindlicher
Neugier.
    »Heute Nachmittag
begrabe ich sie hinterm Haus«, seufzte er.
    »Und dann
erzählst du es der Kleinen?«
    »Mal

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