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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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das Vieh eins über den Schädel,
dann wird es vorm Haus auf den Asphalt gelegt, rein ins Auto, sauber zielen … Puh,
wie die kleinen Knochen krachen!
    Wieder schielte
ich zu Katinka hinüber. Gut, dass sie nicht Gedanken lesen konnte.
    »Was wäre
denn«, fragte ich, als wir noch eine Stunde zu fahren hatten, »wenn du auf den Start
in London verzichten würdest? Nur mal rein theoretisch?« Es war eine Art Versöhnungsangebot,
auf das sie nicht einging.
    »Dieser
Fall wird nicht eintreten. Niemals.«
    Okay, dann
halt nicht. Bis zur Stadtgrenze München fiel keine weitere Silbe zwischen uns.
    Auch danach
beschränkten wir uns auf organisatorischen Minimalismus: »Zum Hotel?« – »Hm.« –
»Zentrum?« – »Geradeaus.« Der Olympiaturm grüßte aus dichtem Wolkenumhang. Wir grüßten
nicht zurück.
    Immer diese
modernen Ehen, dachte der Portier wahrscheinlich, als er uns die Schlüssel reichte.
Nichts als Probleme, Probleme.
    Der Aufzug
brachte uns hoch in den achten Stock. Schweigend durchquerten wir die Flure, der
Teppichboden dämpfte unsere Schritte. Katinka zog ihren Rollkoffer hinter sich her,
ich trug meinen Rucksack über einer Schulter.
    »Um halb
sieben hole ich dich ab«, sagte sie an der Tür zu ihrem Zimmer.
    »Kein Lauf
heute?«
    »Laufband.
Unten gibt es einen Fitnessraum.« Damit ließ sie mich stehen.
    Ich drehte
mich um und sah aus dem Fenster. Sicher, es regnete, aber seit wann ließ sich eine
Katinka Glück von etwas Niederschlag aufhalten? Und dass sie heute keine Lust auf
meine Begleitung hatte – geschenkt. Wenn ich drei Schritte hinter ihr herfuhr, merkte
sie überhaupt nichts von meiner Anwesenheit.
    Ach, Katinkalein

    Seufzend
schloss ich meine Tür auf. Dass die Leute aber auch so an ihren Haustieren hingen!
Nun, das war ungerecht, und ich wusste es. Für Katinkas schlechte Laune war ja weniger
der Tod von Nanuschka verantwortlich als die Botschaft, die dahinter stand. Die
eiskalte Drohung: erst das Kätzchen, dann vielleicht du …
    Ob sie sich
das mit London doch noch überlegte?
    Dieser Fall
wird nicht eintreten, Max. Niemals.
    Schön gesagt,
Katinka. Aber was dann? Wie ging es weiter, wer kam als Nächstes? Sie hatte zwei
Kinder, einen Mann, Freunde. Sie war jung, verletzlich, sie hatte eine Menge zu
verlieren.
    Und nur
einen Beschützer auf dieser Welt.
    »Max Koller«,
sagte ich mit rauchiger Stimme und genoss die wohligen Schauer, die über meinen
Rücken jagten.
    Dann fiel
mein Blick auf den Garderobenspiegel, und vorbei war’s mit den Schauern. Aus dem
Spiegel glotzte mir einer entgegen, der an alles Mögliche erinnerte, nur nicht an
einen Beschützer.
    Wie Sie
aussehen, Herr Koller …!
    Herrje,
dieser Kerl brauchte selbst Hilfe!
    Ich warf
meinen Rucksack in eine Zimmerecke. Heute Abend ein Wildschweinbraten, ich schwor
es mir. Und wenn ich dafür einmal quer durch München laufen musste! Meine linke
Gesichtshälfte war eine impressionistische Farbstudie, es gab Schrammen und Abschürfungen
und Beulen und Schnitte … einfach alles, was gut und teuer war. Als lebendes Modell
für Maskenbildner hätte ich was hergemacht. Aber als Beschützer?
    Stöhnend
ließ mich aufs Bett fallen. Lieber nicht so genau hinschauen. Außerdem war Katinka
eine Zicke, die glaubte, nur weil sie verdammt schnell von A nach B laufen konnte,
liege ihr die halbe Welt zu Füßen. Und reiße sich, beispielsweise, darum, freiwillig
in aller Herrgottsfrüh zu ihr auf den Berg zu strampeln. Wenn sie auf meine Dienste
verzichten konnte – bitte.
    Als ich
wieder aufwachte, war es vier Uhr durch. Ich ging auf die Suche nach dem Fitnessraum,
fand ihn im Untergeschoss, stemmte ein paar Gewichte, trampelte lustlos auf dem
Crosstrainer herum. Katinka war nirgends zu sehen. Mich beachtete keiner; anscheinend
waren Visagen wie die meinige hier gang und gäbe. Anschließend duschte ich, blätterte
in der Fernsehzeitschrift herum und schlug die Zeit tot, bis Katinka an meine Tür
klopfte.
    Aber eigentlich
war es nicht Katinka. Sondern eine androgyne Schöne im sandbraunen Pullover mit
weitem Rollkragen. Unter langen Wimpern leuchtete ein Paar meergrüner Augen.
    »Wow«, sagte
ich. »Kennen wir uns?«
     
     
     
     

13
     
    Aber um Katinka ein Kompliment zu
machen, hätte man schon zu einer anderen Formulierung greifen müssen. Zu einer drei
Mal ausführlicheren und zehn Mal eindeutigeren, nehme ich an; danach hätte man eine
Schleife drumherum binden und einen Strauß Blumen beilegen müssen. Von einer

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