Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
startete
den Motor. »Und zwar?«
»Einer unserer
Sponsoren engagiert sich in der Region.«
»Unserer?«
»Des DLV-Teams.«
Na dann.
Während ich zurück auf die Landstraße steuerte, ließ ich die Blicke schweifen. Man
brauchte schon enormes Vorstellungsvermögen, um dieser Region eine blühende touristische
Zukunft zu prophezeien. Weiter im Westen schien der Tagebau noch in vollem Gang;
dort fügten sich die Silhouetten riesiger Maschinen zu einem bizarren Gesamtbild.
Das tzsch-Dorf
mochte einen unaussprechlichen Namen haben, sein Sportverein aber war auf Zack.
Kaum hatten wir die Ortsmitte erreicht, wurden wir von Ordnern in orangefarbenen
Jacken wieder nach draußen gelotst; dort diene eine große Kuhwiese als Parkplatz.
Erst als Katinka ihren Namen nannte, zeigten die Finger der Ordner in eine andere
Richtung. Hinter der Vereinshalle gab es extra Stellflächen für die Wagen der VIPs.
»Und ich
bin ihr Mentaltrainer«, dachte ich in einem Anflug von Melancholie.
Allerdings
nahm niemand von mir Notiz. Während Katinka sich mit ihrer Truppe zurückzog, stromerte
ich durch die Halle, beide Hände in den Hosentaschen vergraben. Im Vergleich zu
dem Volkslauf in der Nordheide schienen mir die Leute hier mehr Verbissenheit auszustrahlen.
Geradezu Schicksalsergebenheit. Ob es an der Meisterschaft lag oder am Menschenschlag,
wollte ich nicht entscheiden.
Dafür sah
der Kuchen lecker aus. War es nicht längst Zeit für einen zweiten Kaffee? Zwischen
Ballonseide und Funktionsstoff drängelte ich mich zum Büffet durch und angelte mir
ein großes Stück Rhabarberbaiser. Vielleicht lief mir ja Katinka über den Weg, bevor
ich das Trumm vertilgt hatte. Oder, noch besser, eine ihrer Konkurrentinnen.
Kaffee links,
Kuchen rechts, so begab ich mich nach draußen und suchte mir ein ruhiges Plätzchen
in der Sonne. Mit etwas Abstand ließ sich dieses seltsame Volk am besten beobachten.
Alte Haudegen begrüßten einander per Handschlag, andere strebten mit Tunnelblick
der Anmeldung zu. Die ganz Nervösen trippelten schon seit den Morgenstunden vor
der Halle auf und ab. Andere gähnten, als seien sie gerade erst aus dem Bett gefallen.
Und wenn ich mal eine Bemerkung aufschnappte, ging es immer um die aktuelle Form.
Die heute leider gar nicht vorhanden war, völlig im Keller, absolut inakzeptabel.
Der chronische Bänderriss hinten links. Der Lungenreiz, einfach nicht loszukriegen.
Antibiotika, seit Wochen.
»Heute geh
ich’s langsam an. Gaaanz langsam.«
»Mit so
einem Virus ist nicht zu spaßen.«
»Ich hätte
schon gern, aber erst mal können!«
Der eine
oder andere kniff die Augen zusammen und schaute neidisch auf meinen Rhabarberkuchen.
Wollt wohl naschen, was? Lauft ihr mal schön euren Halbmarathon! Habt ihn euch ja
freiwillig ausgesucht als Wochenendbeschäftigung.
Endlich
kam Katinka inmitten einer Gruppe von ernst blickenden Läuferinnen. Manche schlank,
manche überschlank und fast alle mit Pferdeschwanz. Sie winkte mir kurz zu, bevor
sie sich in Bewegung setzte. Gemeinsam lief man sich warm.
Ich überlegte,
ob ich mir noch einen Kaffee besorgen sollte, doch das Gedränge war zu groß. Noch
eine Stunde bis zum Start. Aus lauter Langeweile holte ich mein Handy heraus und
schrieb ein paar SMS. An Christine vor allem, die nun schon das zweite Wochenende
hintereinander auf mich verzichten musste. Ostern im Osten! Als mein Daumen schmerzte,
steckte ich das Handy zurück und schaute mir die Aushänge an der Halle an. Streckenplan,
Meldeliste, Hinweise auf weitere Läufe in der Region. Wenn ich es recht verstand,
gab es zwei getrennte Wettbewerbe: die Meisterschaft und den Volkslauf. Mir egal,
solange Katinka gewann.
Ich sah
sie erst kurz vor dem Start wieder. Sie trug ein kurzärmliges blaues Shirt und eine
Männerlaufhose. Der Veranstalter hatte ihr und den anderen DLV-Athletinnen einstellige
Startnummern gegeben, was ich so zuvorkommend wie berechtigt fand.
»Na, alles
klar bei dir?«, empfing ich sie.
»Wird schon.«
Auch wenn sie immer noch nicht besonders nervös wirkte, war sie bestimmt froh, wenn
es losging.
»Kann ich
dir irgendwas Gutes tun? Getränke reichen, die Zeit durchgeben?«
»Danke,
das machen die Trainer schon.«
»Darf ich
dann wenigstens deine Konkurrentinnen in die Büsche schubsen?
Da erschrak
sie aber! »Untersteh dich«, zürnte sie. »Anfeuern darfst du mich, mehr nicht. Und
mich über die Abstände nach hinten informieren. Sofern ich nicht die Letzte von
uns
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