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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Minuten, es muss auf der A 4 kurz
vor Eisenach gewesen sein, räusperte sich Katinka und sprach drei Worte, die mich
innerlich strahlen ließen wie ein Honigkuchenpferd:
    »Übrigens
… danke, Max.«
    Dabei sah
sie aus, als habe sie in eine Zitrone gebissen.
    »Ist doch
mein Job«, entgegnete ich und zwinkerte ihr lässig zu.
    Nur mit
der Altstadtkneipe und dem original sächsischen Bier wurde es nichts. Unterwegs
erfuhr ich, dass der Halbmarathon nicht in, sondern südlich von Leipzig stattfinden
sollte, und so befand sich auch unser Hotel nicht in, sondern außerhalb der Stadt.
Eher noch südlicher als der Lauf, in einer Gegend, die aussah wie ein löchriger
Schweizer Käse, bei dem man am Käse gespart hatte. Eine Gegend voller Löcher also.
Früher hatten sie einmal Braunkohle enthalten, heute eher nichts. Oder Wasser. Manche
von ihnen standen bereits bis zum Rand damit voll, andere vielleicht zur Hälfte.
Die Geburt einer Seenlandschaft, hieß es glückstrunken an der Hotelbar, noch schöner
als die in Mecklenburg, mit einem Freizeitangebot neben dem anderen. Surfschulen,
Badeparadiese, Ruderklubs, schwimmende Landschaften, einfach alles.
    »Ich kann
nicht surfen«, sagte ich. »Und in Mecklenburg war ich auch noch nie.«
    Meine miese
Laune hatte ihren Grund, denn das Hotel war teuer und hässlich, und an der Bar gab
es nur Jever. Nichts gegen Jever, aber wenn ich Jever trinken will, fahre ich nach
Jever oder zum Supermarkt um die Ecke. Und nicht in die löchrige Prärie südlich
von Leipzig.
    »Haben Sie
kein Ostbier?«, meckerte ich die junge Frau an der Bar an.
    Die zupfte
erschreckt an ihrer weinroten Fliege, die sie zum weinroten Gilet trug – klar, der
Teppichboden in der Lounge hatte dieselbe Farbe –, und erwiderte mit süßsaurem Lächeln:
»Kennen Sie denn eins?«
    Sogar ihr
Lächeln kam mir irgendwie weinrot vor.
    Und berechtigt
war es auch noch, denn natürlich fiel mir in diesem Moment kein einziges DDR-Bier
ein, nicht einmal die Sorten, die zwei Tage nach der Wende von Westkonzernen aufgekauft
worden waren und jetzt genauso schmeckten wie der bundesdeutsche Durchschnitt. Also
begann ich, mich mit Jever zu betrinken, gab das Vorhaben aber nach drei Pils auf.
    Katinka,
die sich direkt nach unserer Ankunft auf ihr Zimmer verzogen hatte, schlief längst
den Schlaf der Langstreckler. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren ihre Kollegen
auf andere Hotels verteilt oder reisten erst morgen an.
    Zum Frühstück
kam ich zu spät. Das Büfett war leergeräumt, und ich musste darum betteln, noch
einen Kaffee und etwas Brot zu bekommen. Gleich darauf starteten wir. Ich konnte
keine Nervosität an Katinka entdecken, nur Anspannung und Konzentration.
    »Und? Alles
im grünen Bereich?«
    Sie nickte.
    »Welche
Zeit wolltest du noch mal laufen?«
    »Eine 1:12.
Den Kilometer in 3:25 Minuten. Aber eigentlich ist die Zeit zweitrangig. Mich interessiert
vor allem, was die anderen drauf haben.«
    »Welche
anderen? Birthe Möller? Romy fehlt doch, oder?«
    »Die jungen,
die sich auch noch Hoffnungen auf eine Teilnahme machen. Kim Starke zum Beispiel
will den Marathon in Rotterdam laufen, für die ist das heute ein echter Härtetest.
Oder Anja und Viola aus Leverkusen. Ich habe gehört, dass die richtig gut drauf
sind.«
    »Also geht
es heute zur Sache. Dafür wirkst du ziemlich locker.«
    Sie schwieg.
Schon klar, man kann in die Menschen nicht hineinsehen. Ob sie ihren Mann vermisste,
ihre Kinder? Oder lenkten die in einer solchen Situation nur ab?
    Der Lauf
startete in einem Nest mit zwei oder drei tzsch-Lauten im Namen. Von dort aus ging
es gut sieben Kilometer kreuz und quer durch die Leipziger Seenlandschaft. Superflach
sollte der drei Mal zu durchlaufende Kurs sein, außerdem amtlich vermessen. Als
wir uns dem Dorf näherten, entdeckten wir seitlich auf einem breiten Radweg erste
Streckenmarkierungen.
    »Halt mal
an«, sagte Katinka.
    Ich brachte
den Wagen auf dem Randstreifen zum Stehen. Der Weg war frisch asphaltiert und glänzte
feucht. In der Ferne verlor er sich am nächsten Seeufer, das von Birken und Weiden
gesäumt war.
    »Ganz schön
windanfällig«, meinte Katinka.
    »Und einsam«,
ergänzte ich. »Hast du nicht was von Landesmeisterschaften gesagt? Warum finden
die so weit draußen statt?«
    »Man muss
froh sein, wenn man einen Veranstalter findet.«
    »Aber die
deutsche Marathonelite kommt hierher!«
    »Nur die
Frauen. Außerdem gibt es noch andere als sportliche Gründe für so einen Lauf.«
    Ich

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