Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Grüßen aus der Provinz. Er solle
doch mal wieder vorbeischauen. Katinka fand das gar nicht lustig, aber das war mir
egal.
Auch Kommissar
Fischer, bei dem ich bald nach unserer Ankunft im Büro vorbeischaute, war bester
Stimmung. Genüsslich hing er in seinem Beamtenfauteuil und arbeitete einen Stapel
Hochglanzfotos durch.
»Entzückend«,
lächelte er versonnen. »Wirklich allerliebst!«
»So viele
Verbrecher in Heidelberg?«
»Ach, woher!
Dass Sie aber auch immer gleich … Meine Nichte hatte gestern Konfirmation. Hier,
sehen Sie mal, wie schick sie sich gemacht hat.«
»Gestern
die Feier, heute schon die Fotos?«
»Ist doch
keine Sache mehr heutzutage.«
»Kommt darauf
an, wo«, murmelte ich und überflog die Abzüge. »Schönes Wetter gehabt?«
»Ging so.
Was macht Ihr Berliner Kollege, dieser Tietje?«
»Wer?«,
fragte ich unschuldig zurück. »Also, die sieht wirklich nett aus, Ihre Nichte. Und
so reif! Eine echte Dame. Ist die tatsächlich erst 14?«
»Fast 15
und erwachsener, als Sie es jemals sein werden. Manchmal allerdings ähnlich bockig.
So, und jetzt raus mit der Sprache: Was haben Sie in Berlin herausgefunden?«
»Jaja, diese
Familienfeste«, seufzte ich. »Es gibt doch nichts Schöneres!« Dann beendete ich
das Spielchen, gab Fischer die Fotos zurück und erzählte von meiner Unterhaltung
mit Tietje. Dabei übertrieb ich sein Lästern über die Kurpfalz so arg, dass der
Kommissar vor lauter anschwellender Solidarität gar nicht auf den Gedanken kommen
konnte, ich verschweige ihm etwas.
»Also kein
Hinweis auf seine aktuellen Ermittlungen?«, knurrte er.
»Nicht die
Bohne. Der Kerl ließ mich auflaufen wie einen Schuljungen.«
»Das macht
ihn ja fast sympathisch. Na gut, werde ich halt in Berlin anläuten, ob dieser Tietje
schon mal aktenkundig geworden ist. Oder auf welche Themen er sich spezialisiert
hat.«
Das tat
er denn auch und informierte mich umgehend am selben Abend: Tietje sei den Berliner
Kollegen zwar bekannt, Negatives wüssten die Akten aber nicht über ihn zu berichten.
Positives übrigens auch nicht. Wie das eben so sei mit den Privaten, haha. Haha,
stimmte ich zu. Einmal, fuhr Fischer fort, habe er sich in einer Rotlichtaffäre
einen Namen gemacht – was für einen, bleibe dem Betrachter überlassen.
»Kapiere
ich nicht«, sagte ich.
»Der Kollege
in Berlin hat es so formuliert: Wenn du dich neben das mieseste Schwein im Ort stellst,
glänzt du auch als zweitmiesestes hell wie ein Stern.«
»Jetzt kapiere
ich. Ihre Hauptstadtfreunde haben wirklich einen subtilen Humor.«
»Berliner
Schnauze halt.«
Mehr Informationen
gab es nicht. Ob Fischer keine weiteren hatte oder ob er sie nicht herausrücken
wollte, blieb Spekulation. Mir egal, ich hatte ihm ja auch nichts von meinen Recherchen
in Tietjes Wohnung erzählt. Er schwärmte noch einmal von der wunderbaren Konfirmation
am Sonntag, dann legten wir auf.
Tags darauf
hetzte ich mit Katinka wieder durch den Odenwald. Keine große Runde, am Samstag
stand schließlich der Halbmarathon im fernen Osten an. Bei dem ich von Heidelberg
aus Daumen drücken würde.
»Und dann
heißt es: hoch die Tassen, nicht wahr? Beim Hundertsten deiner Oma.«
»Sie wird
90.«
»Trotzdem
hoch. Sag mal, hier in Heidelberg gibt es doch auch einen Halbmarathon. Bist du
den jemals mitgelaufen?«
»Zweimal
als Jugendliche. Später nicht mehr.«
»Warum nicht?«
»Weil er
nicht in meine Vorbereitung passt. Und um ihn nur zum Spaß mitzulaufen, ist er zu
schwer.«
»Zu schwer
für Katinka Glück? Was soll denn das heißen? Da nehmen Hausfrauen und 70-Jährige
dran teil. Und der Oberbürgermeister, stell dir vor!«
»Wenn ich
mal Hausfrau oder 70 bin, mache ich auch mit«, gab sie bissig zurück.
»Oder Oberbürgermeisterin.«
Sie verdrehte
die Augen. »Ja, vielleicht. Fakt ist, dass ich mir einen Wettkampf über diese Strecke
mit fast 400 Höhenmetern nicht leisten kann. Nicht im Olympiajahr.«
»Schade
für die Kurpfalz.«
»Die Veranstalter
beknien mich ja auch jedes Mal. Ich werde den Startschuss geben, das habe ich ihnen
versprochen.« Jetzt grinste sie. »Und zwar anstelle des Oberbürgermeisters, der
das sonst immer tut. Angeblich war er not amused darüber.«
»Nur laufen,
das ist halt nicht so sexy.«
»Ehrlich
nicht?«
Sie zwinkerte
mich von der Seite an. Immerhin, Katinka hatte ihre gute Laune wieder. Wir sprachen
noch ein wenig über den bevorstehenden Wettkampf, über ihre Gegnerinnen und einen
möglichen Rennverlauf.
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