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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Hände
auf die Oberschenkel gestützt. Als er den Kopf hob, wusste ich, dass er aufgegeben
hatte. Ein gebrochener Mann. Er griff sich ans Knie. »Immer die gleiche Stelle«,
knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Immer wieder diese Scheiße.«
    »Geht’s
nicht mehr?«, fragte ich.
    Kopfschütteln.
»Bin froh, wenn ich noch ins Ziel humpeln kann.«
    »Das tut
mir leid. Vielleicht nächstes Mal.« Ich legte meine Hand auf seine Schulter. »Eine
Frage, Kamerad: Kann ich deine Startnummer haben? Mit den Nadeln?«
     
     
     
     

22
     
    Natürlich sah es tendenziell blöd
aus, wie ich da mit Straßenschuhen, Jeans und einer zerknitterten Startnummer vorm
Pulli an der Strecke stand. Auf die Titelseite der Runner’s World würde ich es so
niemals schaffen. Na und? Der Zweck heiligte die Mittel, auch in diesem Fall. Kaum
hatte ich dem Aussteiger Nummer und Sicherheitsnadeln abgeschwatzt, war ich zu dem
Wäldchen geeilt. Gegen die allgemeine Laufrichtung und gegen eine Wand von fragenden
Blicken. Solange ich die Startnummer noch in der Hand trug, hielt sich die Verwunderung
in Grenzen. Zwischen den Bäumen suchte ich nach einer geeigneten Stelle für ein
Vieraugengespräch. Und wurde fündig: Dort, wo der Weg einen Knick machte, waren
frisch geschlagene Holzstämme meterhoch gestapelt. Das konnte klappen.
    Jenseits
des Wäldchens hörte ich schon die Trillerpfeife des Führungsfahrrads. Ich lief ihm
entgegen. An der Spitze hatte sich nichts mehr getan, der Sieger stand fest. Auch
der zweite Mann hatte seine Position gehalten – aber wie er aussah! Dr. Karst, schreiten
Sie ein! Die Startnummer in der Faust, lief ich weiter. Jetzt die Gruppe mit Katinka:
Sie waren zu dritt. Immer noch führte Kim, die mit den karibischen Wurzeln, Birthe
und Katinka klemmten dahinter. Ihre Gesichter sprachen Bände. Einer der beiden Trainer
folgte ihnen, blickte immer wieder hektisch zur Uhr und brüllte unverständliche
Anweisungen. Sein Kollege hatte sich zurückfallen lassen, um die beiden Jungspunde
vom Rhein zu begleiten.
    Platz drei
war Katinka sicher. Aber sie musste alles geben.
    Und ich?
Ich rannte weiter, bis zum Kilometerschild 20. Jeden Moment musste der Blonde auftauchen.
Wie groß war sein Rückstand zu Katinka am Ende von Runde 2 gewesen? Sechs Minuten,
sieben? Gekeucht hatte er wie eine Dampflok. Hoffentlich hielt er durch!
    Mit dem
Rücken zum Läuferfeld fummelte ich mir die Startnummer an den Pullover. Falsch rum,
verdammt! Ein Blick über die Schulter: kein Brauenzupfer in Sicht. Also noch ein
Versuch. Jetzt hing sie zwar schief, aber richtig herum. Wo blieb der Blonde? Da
hinten … ja, das war er. Lief nicht mehr so aufrecht wie zuvor, sein Oberkörper
kippte regelrecht nach vorn. Er quälte sich. Recht so!
    Noch 100
Meter. Ich spürte das Adrenalin durch meinen Körper schießen. In diesem Moment hätte
ich mir glatt einen Halbmarathon zugetraut. Das Läufervolk glotzte auf meine Aufmachung.
Glotzt nicht so, Jeans sind der letzte Schrei im Ausdauersport. Außerdem kommt es
nicht auf das Equipment an, sondern auf die Endzeit. Ich bückte mich und fummelte
an meinen Schnürsenkeln herum. Gut, dass ich meine Jacke im Auto gelassen hatte.
    Warten.
Gleich musste er mich erreicht haben. Aus gebückter Stellung schielte ich nach oben.
Noch nicht. Anderer Schuh, nächster Schnürsenkel. Jetzt aber! Er war es. Ich schnellte
hoch und setzte mich in Bewegung. Drei, vier rasche Schritte, und ich lief neben
ihm.
    Erst beachtete
er mich gar nicht. Sein Mund stand offen, die dünnen Lippen waren blutleer. Seinen
Lungengeräuschen nach zu urteilen, stand er kurz vor dem Kollaps. Dafür allerdings
lief er noch verdammt schnell. Schneller, als es aus der Ferne gewirkt hatte. Lag
wohl an seinen langen Beinen, dass man ihn für einen Schleicher hielt.
    »Na?«, sagte
ich. »Neue Bestzeit?«
    Er bewegte
den Kopf und stierte kurz herüber. Glasiger Blick, aber keine Reaktion. Weiter mit
Gekeuche. Das Fußvolk ließen wir einfach stehen.
    »Im Freien
macht es einfach mehr Spaß als in der Halle, stimmt’s?«
    Wieder ein
Seitenblick. Und diesmal erkannte er mich! Ich sah es an seinen weit aufgerissenen
Augen, an seinem Mund, der verzweifelt nach Luft schnappte, weil er einen Atemzug
ausgelassen hatte. Erschrak er? Bekam er Angst? Oder war er bloß am Ende seiner
Kräfte?
    Ja, wahrscheinlich
war er das: so erschöpft, dass es zum Erschrockensein nicht reichte.
    »Warum soll
Katinka Glück in London nicht starten?«, zischte ich. Dass

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