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Glueckstreffer - Roman

Glueckstreffer - Roman

Titel: Glueckstreffer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K A Milne
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der Kopf. Dennoch versuchte er, die bruchstückhaften Erinnerungen an die letzte Viertelstunde zu einem logischen Ganzen zusammenzufügen. Das half ihm, einen erneuten Schwindelanfall abzuwehren.
    Jacob hatte keine Ahnung, wie er hier an den Straßenrand gekommen war. Er lehnte sich vorsichtig gegen die Straßenlaterne und zerrte an seiner Seidenkrawatte. Sie hatte sich wie eine Schlinge um seinen Hals gezogen. Die Vorderseite seines italienischen Anzugs war völlig durchnässt, aber er schob das auf den Dauerregen, der auf ihn niederprasselte – typisch für Seattle, ein wahrhaftes Feuchtbiotop.
    »Großer Gott«, entfuhr es ihm laut, als sich sein Blick etwas aufklarte und er die Welt um sich herum wieder einigermaßen deutlich wahrnehmen konnte.
    Er sah sich heftig blinzelnd um. Er war für seinen schwachen Magen bekannt, und das, was er sah und was sich allmählich aus seinen nebulösen Erinnerungen hervorschob, verursachte ihm Übelkeit. Tapfer kämpfte er den Drang nieder, sich zu übergeben.
    »Es ist meine Schuld«, flüsterte jemand kleinlaut und mit Panik in der Stimme ganz in seiner Nähe.
    Mit weit aufgerissenen Augen suchte Jacob nach dem Besitzer der Stimme. Nur wenige Schritte von ihm entfernt saß neben einem gelben Hydranten allein auf der Bordsteinkante ein kleines Mädchen. Es wischte sich ebenfalls mit dem Ärmel übers Gesicht. Die Kleine versuchte vergeblich, ihre Tränen zu trocknen – angesichts des Dauerregens ein sinnloses Unterfangen. Ihre Nase und Lippen waren blutig und geschwollen. Aus einer klaffenden Wunde an der Wange floss ein rotes Rinnsal über Kinn und Hals auf ihre weiße Bluse.
    Das Mädchen schlang die Arme um die Knie, um sich gegen den Regen und den ungewöhnlich kalten Septemberwind zu schützen. »Ich … ich wollte doch nur ein S-Stück Schokolade«, schluchzte es. »Nur e-ein Stück.«
    Jacob war noch immer benebelt. Er verlagerte seine Position an der Straßenlaterne in der Hoffnung, nicht wieder ohnmächtig zu werden.
    » Du hast das angerichtet?«, fragte er verwirrt. »Was hat denn Schokolade mit all dem zu tun?«
    Das Mädchen antwortete auf seine erste Frage mit einem Nicken. Dann wiegte es den Oberkörper langsam vor und zurück und sah hinüber zu dem Chaos am Ende der Straße. Jacob folgte seinem Blick – vorbeifahrende Autos, flackerndes, zuckendes Blaulicht, glutrot aufsteigende Flammen, kreuz und quer laufende Polizisten, die versuchten, den Verkehr zu regeln, Feuerwehrleute, die Befehle schrien, Ambulanzfahrzeuge, Glasscherben, verbogene Metallteile und Blut – sehr viel Blut. Der Anblick und die Geräusche, ja selbst die Gerüche des Horrorszenarios drohten seine Sinne zu überwältigen.
    Das Mädchen wandte sich wieder um, sah ihn an, sagte jedoch nichts.
    In diesem Augenblick liefen eine Polizistin und ein Rettungssanitäter über die Straße auf sie zu. Einen Augenblick lang befürchtete Jacob, weil er und das Mädchen so weit vom Unfallgeschehen entfernt waren, mochten die beiden sie fälschlicherweise für Gaffer und nicht für Unfallopfer halten. Doch dann rief der Rettungssanitäter ihm zu: »Ich helfe Ihnen, Sir. Setzen Sie sich bitte.«
    Hastig stellte der Sanitäter seinen Erste-Hilfe-Koffer auf den Boden, schlang einen muskulösen Arm um Jacobs Taille und schob ihn behutsam auf den Bordstein nieder. »Tun Sie mir einen Gefallen? Heben Sie Ihre linke Hand über den Kopf, und halten Sie den Arm so, bis ich das Verbandsmaterial ausgepackt habe. Schaffen Sie das?«
    Die seltsame Bitte des Rettungssanitäters verwirrte Jacob weit mehr als das junge Mädchen und seine Behauptung, ein Stück Schokolade habe den Unfall verursacht. »Weshalb? Mit mir ist alles in Ordnung. Sehen Sie das nicht? Helfen Sie dem Kind – die Kleine sieht ziemlich mitgenommen aus.«
    »Sir, würden Sie …«
    »Ich heiße Jacob.«
    »Also gut, Jacob. Sie haben einen Schock. Und Sie haben vermutlich viel Blut verloren. Ich möchte verhindern, dass Sie noch mehr …«
    »Blut? Wo denn? Wieso ich?«
    »Ganz ruhig. Wenn Sie meine Anweisung befolgen, ist alles okay. Halten Sie einfach nur Ihren Arm hoch. So!« Der Rettungssanitäter hob Jacobs linken Arm in die Höhe, und Jacob stützte ihn mit der Rechten, als der Rettungssanitäter ihn losließ.
    Und plötzlich wurde ihm wieder schwarz vor Augen.
    »Blute ich am Kopf? Im Gesicht?« Er redete immer schneller, wurde panisch. »Was zum Teufel soll das helfen? Den Arm hochzuhalten? Fließt mir dann das Blut nicht noch heftiger

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