Glueckstreffer - Roman
sich auf Zehenspitzen zur Hintertür und auf die Straße hinaus.
Sie hatte es in kurzer Zeit durchaus zu schätzen gelernt, mit dem eigenen Wagen zur Arbeit fahren zu können, statt den Bus zu nehmen. Allein die Möglichkeit, morgens länger schlafen zu können! Um an diesem Morgen etwas mehr Zeit für sich zu haben, hatte sie ihren Ford Explorer von Gig Harbor nach Tacoma gefahren und in einem Parkhaus abgestellt, das nur zwei Blocks vom Chocolats de Sophie entfernt lag.
Sophie spannte ihren Schirm zum Schutz gegen den Regen auf und eilte mit langen Schritten zum Parkhaus. Bis sie dieses erreicht, ihren Wagen auf dem vierten Parkdeck gefunden und den Tagesatz bezahlt hatte, nahm sie an, dass Garrett ihr Ladengeschäft entweder längst wieder verlassen hatte oder aber sich zunehmend Sorgen darüber machte, was sie so lange auf der Toilette festhielt.
Sie reihte sich in den Verkehrsstrom ein, bog nach rechts und an der nächsten Ampel nach links ab. Wenige Minuten später fuhr sie knapp unter der bei Regen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht ganz siebzig Stundenkilometern auf dem Highway in Richtung Gig Harbor.
Wie üblich ärgerten sich etliche Verkehrsteilnehmer über den langsamen Ford Explorer. Die Einzigen, die hupten, waren jedoch diejenigen, die hinter Sophies Wagen ohne die Möglichkeit zu überholen festsaßen oder jene Helden der Landstraße, die ihr den Stinkefinger zeigen wollten. Sophie achtete nicht weiter auf sie und hatte die Narrows Bridge schon fast erreicht, als ein Wagen neben ihr auftauchte und dort auf Höhe blieb. Sophie wurde nervös.
Eine weitere Meile lang blieb das Auto beharrlich neben ihr, passte sich der Geschwindigkeit des Ford Explorers an. Sophie war sich sicher, dass der Fahrer sie von drüben her anstarrte. Sie erlag allerdings nicht der Versuchung, zu ihm hinüberzusehen, sondern blickte weiterhin konzentriert auf die regennasse Straße und behielt unbeirrt ihr Tempo bei.
Nur wenige Sekunden später klingelte Sophies Handy in ihrer Handtasche. Es war Garretts Signalton, der mittlerweile offenbar begriffen hatte, dass sie nicht länger auf der Toilette war. Aber sie hätte seinen Anruf selbst dann nicht angenommen, wenn sie in diesem Moment nicht hinter dem Steuer gesessen hätte. Sie hatte ihm einfach nichts zu sagen.
Der Klingelton spielte die Melodie von »Don’t break my heart«. Als der Song zu Ende war, verstummte das Handy. Sekunden später klingelte es erneut. Sophie fragte sich schon, wie oft er wohl noch anrufen würde, bis er endgültig aufgab. Sie wünschte, die Hände lange genug vom Steuer nehmen zu können, um das Mobiltelefon auszuschalten.
Der Song verklang zum zweiten Mal, als der Wagen, der noch immer neben ihr fuhr, laut zu hupen begann. Gefühlte fünfzehn Sekunden lang. Schließlich konnte sie nicht anders und warf einen schnellen Blick aus den Augenwinkeln auf den Wagen neben sich.
Beim Anblick von Garretts lächelndem Gesicht geriet sie augenblicklich in Panik. Sie schnappte nach Luft, trat dabei ungewollt kräftig auf das Gaspedal, der Motor heulte auf und der Wagen schoss vorwärts. Die erhöhte Geschwindigkeit versetzte ihr einen solchen Schrecken, dass sie unwillkürlich auf die Bremse trat.
Und danach ging alles schief.
Der Fahrer des Wagens hinter Sophie, der über drei Meilen lang hinter ihr hergezuckelt war, ohne eine Überholmöglichkeit zu haben, hatte sofort seine Stunde schlagen gefühlt und ebenfalls beschleunigt. Er war dicht auf ihren Ford aufgefahren und nahm noch immer Fahrt auf, als die Bremslichter des Fords völlig unerwartet aufflammten.
Sophie fühlte den Schlag von hinten, ihr Ford geriet ins Schleudern, und sie verlor die Kontrolle über das Fahrzeug. Reifen quietschten, ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und sie schrie laut auf. Der Explorer brach zur Seite auf Garretts Fahrspur aus, was nur deshalb keine Folgen hatte, weil Garrett das Unheil hatte kommen sehen und rechtzeitig auf die Bremse getreten war. Mit diesem Manöver löste er allerdings einen weiteren Auffahrunfall aus. Das hinter ihm fahrende Auto krachte auf sein Heck, und acht weitere nachfolgende Fahrzeuge, die nur wenig Abstand voneinander gehalten hatten, fuhren ebenfalls jeweils auf ihren Vordermann auf. Metall schepperte und barst. Die Massenkarambolage war perfekt.
Kapitel 34
Wer sein Herz öffnet, könnte verbluten.
ALS GARRETTS WAGEN schließlich zum Stehen kam, galt sein einziger Gedanke Sophie. Ihr Wagen stand kurz vor der Brücke,
Weitere Kostenlose Bücher