Glueckstreffer - Roman
Jacob Barnes habe keinen Groll gegen Sophie gehegt: So recht daran glauben mochte sie nicht. Meredith konnte sich ebenso gut getäuscht haben. Warum sollte Jacob Barnes ihr einen Brief schreiben, wenn er sie nicht beschuldigen oder anklagen wollte? Der Gedanke allein machte sie nervös.
»Essen Sie den Apfel nicht auf einmal«, sagte Sophie, als der Kunde sich mit der Süßigkeit in der Hand zum Gehen wandte. »Es sei denn, Sie haben jemanden, mit dem Sie ihn teilen können.«
»Machen Sie Witze?«, rief er fröhlich. »Das ist ein Apfel! Und Äpfel sind gesund! Nein, dieses Schätzchen gehört mir ganz allein.« Damit führte er den Apfel zum Mund, biss hinein, und verließ den Süßwarenladen mit verzückter Miene.
Zehn Minuten später war es so weit: Der Postbote kam und stellte einen Karton mit Post hinter der Eingangstür ab. Sophie hätte den besagten Brief am liebsten sofort herausgesucht, war aber noch damit beschäftigt, Kostproben an eine Familie mit fünf Kindern zu verteilen, die sämtliche Süßigkeiten erst probieren wollten, bevor sie sich entschieden. Als schließlich alle sieben ihre Bestellung aufgegeben hatten, warteten bereits drei weitere Kunden in der Schlange. Sophie seufzte. Jacob Barnes’ Brief, falls er überhaupt bei der Postlieferung war, musste warten.
Kurz darauf traf Randy ein und trug die Post ins Hinterzimmer. Sophie bediente gerade eine über achtzigjährige Dame, die lang und breit erzählte, wie verzückt ihre Urenkel sein würden, wenn sie am Weihnachtsmorgen die Pfefferminzplätzchen in ihren Weihnachtsstrümpfen finden würden.
»Aber bis dahin sind es doch noch zwei Monate«, sagte Sophie. »Wollen Sie nicht lieber kurz vor dem Weihnachtsfest frische Plätzchen kaufen kommen?«
Die Frau rümpfte die Nase und machte eine wegwerfende Geste. »Unsinn, meine Liebe. Jetzt, vor dem Weihnachtstrubel, bekommt man die besten Sachen am preiswertesten. Ich lege die Süßigkeiten so lange in den Gefrierschrank. Die Kinder merken den Unterschied gar nicht.«
Sophie entschied, dass es nicht der Mühe wert war, ihr zu sagen, dass die Pralinen kein Sonderangebot waren. »Tja dann … Fröhliche Weihnachten!«
Die Frau lächelte glücklich und verabschiedete sich.
»Randy?«, rief Sophie, als die Kundin gegangen war. »Wo hast du die Post abgestellt?« Sie wollte sich schon ins Hinterzimmer verziehen, als ein vertraut aussehender Mercedes in einen der freien Parkplätze vor dem Laden einbog.
»Mist«, murmelte sie.
Sophie lief in die Küche, nahm hastig die Schürze ab und warf sie auf eine Arbeitsfläche. »Ich gehe heute früher, Randy. Wo ist die Post?«
Randy sah von einer Schüssel mit Buttertoffeecreme auf. »Auf dem Schreibtisch. Wie ich schon gesagt habe.« Er neigte den Kopf leicht zur Seite. »Alles in Ordnung?«
»Bestens«, log sie. »Aber falls eine gewisse Person jetzt gleich in den Laden kommt, halte sie so lange wie möglich auf. Das heißt so lange, bis ich unbemerkt durch den Hinterausgang entkommen bin.«
Die Gedanken an Garrett hatten Sophie gequält, seit sie erfahren hatte, dass er sich mit einer anderen Frau traf – oder zumindest mit ihr telefonierte. Sie fand sein Verhalten unerhört, vor allem nachdem er sie zuvor wochenlang wegen eines Treffens belästigt hatte.
Nein, es war nichts in bester Ordnung. Sie war frustriert, verärgert, vielleicht sogar eifersüchtig. Außerdem belastete sie die Sache mit seinem Vater.
Angesichts all dieser widerstreitenden Gefühle war Garrett der letzte Mensch, mit dem sie sich jetzt unterhalten wollte. Randy nickte und tat so, als sei das die leichteste Sache der Welt. Er ging in den Verkaufsraum und stellte sich hinter die Kasse. Sophie hastete ins Büro, schlüpfte in ihren Mantel und durchsuchte hastig den Karton mit Post, als sie hörte, wie die Ladentür aufging.
»Hallo, Randy«, sagte Garrett.
»Hi, was gibt’s?«
»Ist Sophie da?«
Sophie verharrte bewegungslos und lauschte angestrengt. Es dauerte einige Sekunden, bis Randy antwortete: »Ehm … Ja, sie war hier … Aber jetzt … Bin nicht sicher … Ah, natürlich! Sie ist kurz auf die Toilette gegangen.«
»Oh«, bemerkte Garrett amüsiert. »Dann warte ich einfach.«
Sophie lächelte zufrieden. Garrett hatte Randys Gestammel offenbar für bare Münze genommen. Lautlos sortierte sie weiter die Post. Der Brief von Jacob Barnes lag zuunterst im Karton. Sie ließ die übrigen Sendungen auf dem Schreibtisch zurück, nahm Handtasche und Schirm und schlich
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