Gluehende Dunkelheit
wieder.
Miss Tarabotti kam endlich auf den Punkt. »Warum hat er mich gestern Abend mit solcher Hochnäsigkeit und dann heute mit solcher Beflissenheit behandelt? Ist das auf irgendein obskures Rudelverhalten zurückzuführen?« Sie nahm einen Schluck Tee, um ihre Nervosität zu verbergen.
Lyall aß seine gehackte Leber auf, stellte die Eiscremeschale auf dem Klavier ab und sah Miss Tarabotti an. »Würden Sie sagen, dass Lord Maccon anfänglich sein Interesse deutlich gemacht hat?«, fragte er.
»Nun ja«, antwortete Miss Tarabotti ausweichend. »Wir kennen einander nun schon ein paar Jahre. Vor diesem Vorfall auf der Straße, würde ich sagen, war seine Einstellung eher von Gleichgültigkeit geprägt.«
Professor Lyall lachte glucksend. » Sie haben ja auch nicht seine Kommentare nach diesen Begegnungen vernommen. Wie dem auch sei, ich meinte eigentlich eher in jüngster Zeit.«
Alexia stellte die Teetasse ab und gestikulierte mit den Händen, während sie sprach. Das war eine der wenigen italienischen Eigenheiten, die sich irgendwie in ihr Repertoire geschlichen hatten, trotz der Tatsache, dass sie ihren Vater kaum gekannt hatte. »Nun ja, schon«, meinte sie, wobei sie die Finger weit spreizte. »Aber andererseits wiederum nicht deutlich. Mir ist bewusst, dass ich ein bisschen zu alt und unscheinbar bin, um Gegenstand eines längerfristigen romantischen Interesses zu sein, besonders bei einem Gentleman von Lord Maccons Stand. Aber wenn er mir den Status eines Clavigers anbieten möchte, sollte ich dann nicht darüber informiert werden? Und ist es nicht unmöglich für …« Sie warf einen Seitenblick zu Ivy, die nicht wusste, dass sie eine Außernatürliche war; sie wusste nicht einmal, dass Außernatürliche existierten. »… für jemanden, dem es an … schöpferischem Geist mangelt wie mir, ein Claviger zu sein? Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich kann nicht glauben, dass seine Avancen eine Werbung darstellen sollen. Als er mich jüngst ignorierte, nahm ich deshalb an, dass er den Vorfall auf der Straße zutiefst bereute.«
Professor Lyall seufzte erneut. »Ach ja, das. Wie drücke ich das am taktvollsten aus? Mein geschätzter Alpha hat sich in Bezug auf Sie von seinem Instinkt leiten lassen, fürchte ich, und nicht von seinem Verstand. Er hat Sie so wahrgenommen, wie er eine Alpha-Werwölfin wahrnehmen würde.«
Miss Hisselpenny runzelte die Stirn. »Ist das schmeichelhaft?«
Miss Tarabotti warf einen Blick auf die leere Eiscremeschale und reichte Professor Lyall eine Tasse Tee.
Lyall schlürfte manierlich von dem Getränk und sah sie über den Rand der Tasse hinweg mit hochgezogenen Brauen an. »Für einen Alpha? Ja. Für den Rest von uns nicht ganz so sehr, vermute ich. Aber dafür gibt es einen Grund.«
»Bitte fahren Sie fort«, drängte Miss Tarabotti fasziniert.
Lyall tat, wie ihm geheißen. »Als er sein Interesse nicht einmal vor sich selbst eingestehen wollte, übernahmen seine Instinkte die Kontrolle.«
Miss Tarabotti hatte eine kurze, aber skandalöse Vision, wie Lord Maccons Instinkte ihn zu Dingen trieben, wie etwa sie über die Schulter zu werfen und hinaus in die Nacht zu verschleppen, und kehrte wieder in die Wirklichkeit zurück, als sie daraufhin heftig zusammenzuckte.
»Also«, sagte Miss Hisselpenny zu ihrer Freundin, während sie Lyall Unterstützung suchend ansah, »ist es eine Frage der Kontrolle ?«
»Sehr aufmerksam beobachtet, Miss Hisselpenny.« Mit warmer Anerkennung sah der Professor sie an, während Ivy vor Freude errötete.
Miss Tarabotti glaubte allmählich zu verstehen. »Dann hat er bei der Dinnerparty darauf gewartet, dass ich ihm Avancen mache?« Ihre Stimme quiekte beinahe vor Erschütterung. »Aber er hat geflirtet! Mit einer … einer … Wibbley!«
Professor Lyall nickte. »Und dadurch versucht, Ihr Interesse zu wecken – Sie dazu zu zwingen, Ihren Anspruch anzumelden, die Verfolgung aufzunehmen und ihn als Ihr Eigentum geltend zu machen.«
Sowohl Miss Tarabotti als auch Miss Hisselpenny waren schon bei der bloßen Vorstellung so gründlich schockiert, dass ihnen die Worte fehlten. Obwohl Alexia weniger entsetzt als vielmehr verstört war. Immerhin hatte sie eben erst, in diesem Raum, ihr Interesse daran entdeckt, das Kräftespiel zwischen Mann und Frau auszugleichen. Wenn sie Lord Maccon in den Hals beißen konnte, um zu bedauern, dabei keine bleibende Spur zu hinterlassen, dann könnte sie auch in der Lage sein, ihn öffentlich
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